Abenteuer Afrika – Unterwegs in Ghana

Von Astrid Macmillian

Nach den bisherigen Abenteuern mit Paule scheint sich die „afrikanische Buschratte" nun zu einem manierlichen Hund zu entwickeln …

In Ghana erwartet uns schon an der Grenze Korruption pur. Die einreisenden Autofahrer ­halten den Männern an der Grenze bereits einen Geldschein entgegen und ­dürfen weiterfahren. Da wir uns nicht auskennen und uns auch sonst immer bemühen, der Korruption aus dem Weg zu gehen, muss ich endlos Papiere ausfüllen. Es dauert eine kleine Ewigkeit. Loyal bemüht sich währenddessen Paule ruhig zu halten, da wir gehört haben, dass die Einreise eines Hundes die geldgierigen Beamten in Ghana zu unglaublichen Forderungen veranlassen soll. Endlich bin ich am Tor fertig und gehe weiter zum Immigrationsbüro. Dort wird zum ersten Mal in Westafrika unsere Identität anhand von Fingerab­drücken und einer Gesichtsüberprüfung festgestellt. Das heißt für uns, dass auch Loyal persönlich ins Büro muss. Ich gehe zurück zum Auto und werde dort durch ein lautes „Wohooo" von Paule begrüßt. „Bitte beeil dich, wer weiß, wie lange Paule noch stillhält", gebe ich Loyal noch mit auf den Weg. Glücklicherweise ist er schnell zurück und wir wollen fahren. „Ihr müsst noch zum Zoll!", meint allerdings ein Mann, der um unser Auto herumschleicht. Noch einmal? Wir sind erstaunt.

Es stellt sich heraus, dass die Männer bisher nur die „Vorhut" waren, der „echte" Zoll besteht aus noch mehr Beamten. Trotz der Forderungen („Jeder muss hier bezahlen!") bleibe ich hart. Draußen wird es dunkel, aber nach einer Stunde können wir endlich weiter. Puh – geschafft!

Herbergsuche beim Pfarrhaus
Da wir wie immer vermeiden wollen, in der Dunkelheit über eine schlechte und uns unbekannte Straße zu f­ahren, halten wir die Augen nach einem Übernachtungsplatz offen. Wie immer wollen wir in einem kleinen Dorf beim Dorfchef fragen, ob wir über Nacht unseren Landy neben seinem Haus parken dürfen. Das Problem in diesem Teil Ghanas ist allerdings, dass wir ­keine Dörfer sehen. Außerdem haben die Ghanaer ihre Häuser immer sehr eng aneinandergebaut, man könnte von kleinen Siedlungen sprechen. Irgendwann fällt uns ein Haus auf, das von einem großen Park ­umgeben ist. „Lass uns da ­nachfragen!", ­schlage ich vor. Loyal spricht mit dem ­Besitzer, der vor dem Haus steht. Nach ein paar Minuten kommt er zurück und steigt frustriert ins Auto. „Wir sollen zur nächsten Polizeistation ­fahren und dort nachfragen", teilt er mir mit und startet den Motor. Wir ­drehen den Wagen und wollen ­gerade ­weiterfahren, als der Mann mit seinem etwa zehnjährigen Sohn im ­Schlepptau uns den Weg verstellt und durchs Autofenster sagt: „Mein Sohn meinte gerade, ihr solltet hierbleiben. ­Willkommen!" Wir sind völlig überrascht, parken aber erleichtert neben dem Haus.

Inzwischen ist es 18 Uhr und stockdunkel. Es stellt sich heraus, dass der Mann Pfarrer ist, sein Haus wie auch das neue Auto sind von der Gemeinde gestiftet. „Wahrscheinlich hat ihn sein Sohn an die ­Weihnachtsgeschichte erinnert!", meint Loyal leise zu mir, „Immerhin ist morgen der dritte Advent und als Pfarrer sollte man kein Paar, das nach Unterkunft sucht, wegschicken, oder?" Der Mann lädt uns zum Gottesdienst am nächsten Morgen ein. Wie sich herausstellt, hat die kleine Gemeinde gleich vier Pfarrer. Der Gottesdienst findet im Freien statt. Ein Kirchengebäude gibt es nicht. „Wahrscheinlich hat dafür das Geld nicht mehr gereicht", meint Loyal kritisch, „Die vier Pfarrer haben wahrscheinlich alle schöne Häuser und neue Autos!"

Gottesdienst einmal anders
Der Gottesdienst ist anders als bei uns zu Hause: Es werden nicht nur gleichzeitig mehrere Lieder (ins ­Mikrofon) gesungen, sondern es wird auch vor dem Altar getanzt: zuerst die Männer, danach die Frauen. Nach der ersten halben Stunde werden wir nach vorne gerufen und müssen uns vorstellen. Als Loyal fertig ist, dreht sich der Pfarrer zu ihm und sagt laut ins Mikro­fon: „Und welches Lied habt ihr uns mitgebracht? Wir wollen zusammen tanzen!" Loyal wird bleich und schaut hilflos zu mir. Ich nehme tapfer das Mikrofon und stimme den Kanon ­„Halleluja" an. Nach nur wenigen Takten stimmen die ­Musiker der Kirchenband und danach die ganze Gemeinde mit ein. Ich bin sehr erleichtert. Der Gottesdienst dauert über vier ­Stunden, was in Ghana völlig normal ist. Manche der ­Gemeindemitglieder stehen zwischendurch auf und kaufen sich auf dem kleinen Markt nebenan etwas zu essen. Eine Frau pinkelt an unser an der Straße geparktes Auto. Dass Paule im Auto laut bellt, scheint sie nicht zu stören.

Gegen Mittag verabschieden wir uns vom Pfarrer, weil wir weiter wollen. Uns haben die 2,5 Stunden Gottes­dienst gereicht. Wir schaffen es an diesem Tag noch bis Elmina und ­fahren dort zu einem Campingplatz, weil uns die Suche nach einem ­„Dorfchef" oder einem privaten Gastgeber zu stressig erscheint. Als wir auf den Campingplatz einbiegen, laufen vor uns zwei wie ­Schweine aussehende Tiere. Es stellt sich ­heraus, dass es zwei ­Labradore sind, die wohl direkt aus einem Sumpfloch kommen. Sie riechen Paule sofort und wollen am liebsten durchs ­Fenster zu uns ins Auto ­springen. Als wir aus dem Auto steigen, merken wir, dass die beiden nicht nur krass aus­sehen, sondern auch ­bestialisch ­stinken. Es scheint, dass eine ­Jauche­grube in der Nähe sein muss. Mit Müh‘ und Not halten wir Paule davon ab, direkt mit den beiden zu spielen.

Paule und die beiden Strandhunde
„Die zwei sind bei uns zu Gast", erzählt uns die junge Camping­­platz-Managerin aus Holland, „Die haben sich hier so wohl gefühlt, dass ihre Besitzer sie noch für ein paar Wochen hier gelassen haben!" Wir können das verstehen: Der ­Campingplatz ist traumhaft direkt am Strand ­gelegen. Hier können wir zwei Tage ­entspannen und endlich wieder unsere Wäsche waschen. Ich spiele mit Paule am Strand und weil mich die Leine nervt, mache ich ihn los. Allerdings habe ich nicht mit Paules Reaktion gerechnet. Er merkt, dass er frei ist, schaut mich kurz an und wetzt dann in die ­entgegengesetzte Richtung davon. „Der Hund läuft weg!", rufe ich Loyal zu, der gerade am Lesen ist. Gemeinsam rennen wir ihm ­hinterher. Es kommt, wie es ­kommen musste. Aus dem Nichts tauchen zwei ­Strandhunde auf und nun laufen die drei um die ­Wette. Paule ist nicht mehr zu ­halten. ­Glücklicherweise machen die Strandhunde kehrt und rennen zurück in Richtung ­Campingplatz – Paule hinter­her. ­Loyal ist schon ziemlich aus der Puste, als er Paule endlich zu fassen bekommt. Das war´s mit der Freiheit. Nun muss Paule ­wieder an der Leine bleiben.

Paules Zahnwechsel
Abends übt Loyal mit Paule das „Bei Fuß"-Gehen, wie er es vor vielen Jahren mit seinem Berner Sennenhund Forst in der Hundeschule gelernt hat. Die afrikanischen Angestellten amüsieren sich darüber. „Was der Weiße wieder mit seinem Hund anstellt", steht in ihren Gesichtern geschrieben.

Paule verliert übrigens seit ein paar Wochen seine Welpenzähne. Die nachfolgenden Eckzähne sind riesig. Es scheint, als ob er eigentlich wirklich ein mittelgroßer Hund werden sollte und durch Fehlernährung als Welpe klein bleiben wird. Zur Zeit wiegt er nur vier Kilo. Da wir ja ständig mit dem Auto unterwegs sind und Paule dann meistens auf meinem Schoß liegt, gelingt es mir, einige der „alten Zähne" aufzufangen, bevor Paule sie herunterschluckt. Paule scheint sich übrigens auch seiner großen neuen Zähne bewusst zu sein. Aus seinem Verhalten anderen Hunden gegenüber leiten wir ab, dass er sich selbst auch als mittelgroßer Hund fühlt. Sein Selbstbewusstsein ist riesig. Mal sehen, wie sich das in den nächsten Wochen und Monaten noch ent­wickeln wird.

Unsere nächste Station in Ghana ist die Hauptstadt Accra, wo wir bei Freunden wohnen können. ­Gbytoto und Mansah haben zwei kleine ­Kinder und gehören zu den sog. ­besser Gestellten in Ghana. Sie leben in einem schönen Haus. Die beiden ­Kinder haben riesige Angst vor Paule. Da Paule sich von seiner besten Seite zeigt, trauen sie sich aber bald, ihn zu streicheln. Wir freuen uns, dass Paule seit Liberia viel ruhiger und weniger aggressiv geworden ist. Wir müssen in Accra vieles erledigen. Nicht nur dass das Auto durchgecheckt und ein Ölwechsel vorgenommen werden müssen, wollen wir auch Visa für Togo und Benin beantragen.

Ein Teppichboden ist kein Rasen
In Ghanas Hauptstadt herrscht den ganzen Tag ein riesiges Verkehrs­chaos, was dazu führt, dass wir im Auto nur sehr langsam vorankommen. Wir werden in der Hitze im Auto (ohne Klimaanlage) richtig gebraten. Wie gut, dass wir Paule im eher kühlen Haus lassen können. Da wir aber auch abends im Verkehr feststecken, kommen wir meist erst gegen 21 Uhr zurück. Wir freuen uns, dass Paule trotz der langen Zeitspanne nicht ins Zimmer ­gepinkelt hat. Er freut sich unbändig, uns wieder­zusehen. Als wir am zweiten Tage abends mit ihm im Wohnzimmer spielen, verschwindet er plötzlich hinter dem Sofa und nimmt seine Pinkel­position ein. Loyal reagiert blitzschnell: „Nein!", ruft er, schnappt Paule bevor das Malheur passieren kann und rennt mit ihm auf dem Arm nach draußen. „Paule hat noch nie zuvor Teppich­boden erlebt. Vielleicht ist es für ihn ein bisschen so wie der Rasen", versuchen wir eine Erklärung für sein Verhalten zu finden. Glücklicherweise scheint er etwas gelernt zu haben: In den ­darauffolgenden Tagen pinkelt er nicht auf den Teppichboden.

In Accra haben wir endlich wieder die Möglichkeit, neues Hundefutter für Paule zu kaufen. Wir sind froh, dass es ihm schmeckt. Am liebsten mag er aber weiterhin afrikanisches Essen, allerdings wird hier in ­Ghana sehr scharf gekocht, was dazu führt, dass er den Reis mit Soße überhaupt nicht verträgt, sondern alles wieder hochwürgt. Leider hält ihn das nicht davon ab, auf afrikanischen ­Essensgeruch weiterhin völlig begeistert zu reagieren und uns erwartungsvoll anzuschauen. Da kann wohl das ­Trockenfutter nicht mithalten.

Paule wird Vorzeigehund
Weihnachten naht und wir wollen das Fest zu dritt in einem ­schönen Hotel an der Ostküste feiern. ­Leider stellt sich das „beste Hotel der Gegend" als ziemlich herunter­gekommen heraus. Wir sind sehr enttäuscht. Zum ­Frühstück bekommen wir ­verschimmelten Toast und alte Würstchen. Schließlich kochen wir unser Weihnachtsessen selbst auf unserem Gaskocher: Es gibt Reis mit (europäischem Tiefkühl-) ­Hähnchen in Erdnusssoße und als Nachtisch Pfannkuchen. Paule freut sich sehr über die große Fleischportion. Er scheint Weihnachten auf jeden Fall zu genießen. Auch hier im Hotel ­verhält sich Paule vorbildlich, was das Gassigehen angeht. Er läuft zur Tür, wenn er nach draußen muss. Unsere „afrikanische Buschratte" scheint ein richtiger Vorzeigehund zu ­werden.

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