In Togo entgeht Loyal nur knapp einem Überfall, weil Hund Paule sich als abschreckender Beschützer entpuppt. Im kleinen westafrikanischen Staat Benin wird es dann noch spannender und die beiden Reisenden werden mit dem Voodoo-Glauben, der dort noch immer praktiziert wird, konfrontiert. Unentspannt und auf der Hut geht es weiter nach Nigeria. Auch Paule spürt die Anspannung. Polizisten und Zöllner mit absurden Forderungen pflastern den Weg, doch Astrid und Loyal schlagen sich tapfer durch.
Unsere angesteuerte Unterkunft in der Hauptstadt Lomé ist „Chez Alice", ein Hostel. Alice ist Schweizerin und lebt schon seit Jahrzehnten in Westafrika. Leider ist die Atmosphäre eher kneipenähnlich und wir sind etwas enttäuscht. Der Strand um die Ecke ist sehr verschmutzt und so gefährlich, dass Touristen davon abgeraten wird, dort spazieren zu gehen. Es ist schwierig, mit Paule Gassi zu gehen. Das Hostel liegt in einem Wohnviertel und viele der Leute hängen den ganzen Tag sitzend und liegend vor ihrem Haus herum. Dort, wo Paule am Abend zuvor sein Geschäft verrichtet hat, liegt nun am nächsten Tag eine Frau mit ihren Kindern auf dem Boden herum. Es ist schwer, für Paule eine ruhige Ecke zu finden.
Bedrohung am Abend
Abends wird die Situation noch etwas komplizierter, weil man sich nach Einbruch der Dunkelheit vom Hostel nicht mehr weiter weg bewegen sollte. Eines Abends, als Loyal mit Paule in „unserer Straße" unterwegs ist und Paule in einer Ecke schnüffelt, spürt Loyal plötzlich, dass jemand dicht hinter ihm steht. Langsam dreht er sich um. Auch Paule ist aufmerksam geworden. Er lässt ein tiefes Knurren ertönen und stellt sich neben Loyal. Etwa einen halben Meter entfernt steht ein Mann. Als er unseren Hund wahrnimmt, murmelt er ein „Good evening" und läuft dann schnell weg. Da es in Westafrika sehr unüblich ist, dass unbekannte Menschen einander auf der Straße so nahe kommen, ist sofort klar, dass der Mann nichts Gutes im Schilde geführt hat. Wahrscheinlich wollte er Loyal ausrauben. Loyal hat noch einmal Glück gehabt, aber trotzdem einen großen Schreck bekommen. Auf direktem Weg kommt er ins Hostel zurück. Paule bekommt eine Extraportion Futter und heißt ab diesem Tag „Wachhund". Wir sind sehr froh, dass wir Paule haben. Wie gut, dass die Einheimischen riesige Angst vor Hunden haben – auch vor so kleinen wie unserem. Wenn wir unser Auto irgendwo parken, lassen wir meistens Paule darin zurück. So können wir sicher sein, dass niemand einbrechen wird. Außerdem ist es allgemein schwierig, Paule in der Stadt irgendwohin mitzunehmen. Da in Afrika überall (vergammelte) Essensreste auf dem Boden herumliegen, ist unser Hund kaum zum Laufen zu bewegen. Vielmehr schnüffelt er überall herum und frisst alles, was er finden kann. Leider führt das bei ihm immer wieder zu Magenbeschwerden. Häufig muss er hinterher auch erbrechen. Irgendwie stellt er aber leider nie den Zusammenhang zu dem her, was er vorher gefressen hat. Auch aus diesem Grund sind wir froh, wenn wir ihn im Auto lassen können.
Voodoo …
Nach einer guten Woche in Togo machen wir uns auf die Weiterfahrt nach Benin. Wie das Nachbarland Togo ist auch Benin ein sehr kleiner westafrikanischer Staat. Bekannt ist er vor allem für seinen Voodoo-Glauben, der dort noch immer überall praktiziert wird. Zufällig übernachten wir gleich in der ersten Nacht bei Voodoo-Priestern. Als wir in einem Hotel als Camper abgewiesen werden, haben sie, die als Türsteher in diesem Hotel arbeiten, uns gleich mit zu sich nach Hause genommen. Rémy und sein Bruder Florent sind sehr herzlich und auffallend zurückhaltend. Wir fühlen uns gleich wohl. Am nächsten Morgen begrüßen sie uns mit vielen Fragen: „Wie lange werdet ihr bleiben? Kommt ihr nächste Woche auch mit zum Voodoo-Festival? Wollt ihr unser Dorf kennenlernen? Gehen wir jetzt zusammen in den „Heiligen Wald"?"
Sie sind sehr enttäuscht, als wir ihnen sagen, dass wir eigentlich gleich weiter wollen. Trotzdem sind wir neugierig und nehmen das Angebot an, zum „Heiligen Wald" zu laufen und von ihnen mehr über den Voodoo-Kult zu erfahren. Gemeinsam treffen wir den „Priester-Chef", der uns erzählt, dass er alle Krankheiten heilen kann. Stolz zeigt er uns einen Trank, den er jeden Morgen zu sich nimmt und der ihn gegen böse Menschen schützt. Es stellt sich heraus, dass es Pastis ist, der mit Kräutern gemischt ist. Er schenkt uns die Restflasche. Zurück bei Rémy und Florent trinken nicht nur die anwesenden Frauen aus der Flasche, sondern auch den Kindern wird ein Glas eingeschenkt. Das jüngste ist gerade mal ein Jahr alt. „Auch die Kinder müssen vor bösen Menschen geschützt werden, oder?", erklärt Rémy, als er unseren entsetzten Blick sieht. Bei der Hitze wirkt der Alkohol gleich doppelt so stark. Wohlig strecken sich alle auf einer Matte im Hof aus und wir verabschieden uns.
Afrika pur!
Obwohl das Land so klein ist, kommen wir kaum voran. Unsere zweite Nacht verbringen wir im Nordosten des Landes bei einer Familie, die kein Französisch kann. Die Kommunikation ist nicht leicht. Trotzdem sind alle sehr herzlich. Das Wasser, das uns angeboten wird und von dem die Familie trinkt, sieht so übel aus, dass wir es nicht einmal zum Waschen verwenden wollen. In der Nacht brennen die Nachbarn ihr Feld ab. Außer uns scheint das riesige Feuer niemanden zu stören. Wir hören ein Kind wie am Spieß schreien. Aber auch das scheint nur uns aufzufallen. Als die Flammen irgendwann kleiner werden, können wir endlich einschlafen.
Andere Länder, andere Sitten
Am nächsten Morgen setzen wir uns zum Frühstücken zu den Einheimischen. Alle lieben unsere mitgebrachte Papaya. „Schau mal das Kind da vorne", meint Loyal plötzlich zu mir, „das hat eine ganz verbrannte Hand!" Er hat Recht: Die Wunde sieht furchtbar aus. Das Kind hält seinen Arm mit der anderen Hand fest und streckt beide Arme nach oben. Ich hole unser Verbandsmaterial und verbinde die Wunde. Stolz zeigt uns der Familienvater, was sie bisher auf die Wunde getan haben: Es stellt sich als Hustensaft heraus! Das kleine Mädchen hält beim Verbinden ganz still und gibt keinen Mucks von sich. Erst als sie hinterher ein Stück Schokolade bekommt, weint sie. Ihr Vater schlägt sie und drückt ihr die Schokolade gewaltsam in den Mund. Wir können dabei nur zuschauen: die Erziehungsmethoden sind hier anders als bei uns.
Über 20 Kontrollen …
Seit Tagen schlafen wir nachts unruhig, weil wir Angst vor dem Land haben, das vor uns liegt: Nigeria. Paule scheint unsere Anspannung zu spüren. Auch er ist unruhig. Die Einreise in das berüchtigte Land klappt erstaunlicherweise weitgehend problemlos. Es war die richtige Entscheidung, einen kleinen Grenzübergang zu nehmen. Die Beamten sind nett und freundlich. Unser Hund scheint niemanden zu interessieren. Wir sind erleichtert und machen uns auf den Weg in Richtung Lagos. Nach nur zwei Kilometern müssen wir das erste Mal anhalten. Unsere Pässe werden überprüft. Zehn Meter weiter steht ein Mann vom Zoll. Danach kommt die Gesundheitsbehörde. Auf den nächsten 10 Kilometern müssen wir über 20 Kontrollen passieren. Jeder will etwas anderes sehen. Der Gesundheitsbeamte will uns weismachen, dass man kein Flaschenwasser aus dem Nachbarland einführen darf. Ein anderer will mindestens zwei Moskitonetze sehen.
Beißt der? Ja, manchmal …
Bei einer anderen Kontrolle heißt es plötzlich: „Der Hund darf hier nicht rein!" „Wie kann das sein?", wundere ich mich, „wir sind doch mit Hund eingereist und es gab beim Zoll überhaupt keine Probleme!" „Ich bin hier der Zoll und ich sage, der Hund kann hier nicht rein!" Ich seufze innerlich. Wieder einer, der irgendwie an Geld rankommen will. Wir legen alle Hundepapiere vor und dürfen schließlich doch weiterfahren. Glück gehabt. Wir brauchen für diese ersten Kilometer Stunden und fragen uns, wie viele Tage wir wohl brauchen werden, bis wir durch ganz Nigeria durchgefahren sind. Wir sind sehr froh, Paule dabei zu haben. So rücken uns die Beamten nicht zu nah auf die Pelle. Sie halten gebührend Abstand vom Landy. Die Frage „Beißt der?" beantworten wir hier immer mal wieder mit „Ja, manchmal."
Umwerfende Gastfreundschaft
Die nächsten Tage sind sehr anstrengend. Nigeria ist ein Land der Extreme. Die Gastfreundschaft und Offenheit der Menschen ist umwerfend. Menschen, die uns nicht kennen, nehmen uns mit zu sich nach Hause, damit wir sicher die Nacht verbringen können. Ein Hotelmanager überlässt uns kostenlos ein Zimmer mit Klimaanlage und kocht persönlich ein Abendessen für uns. Wir bleiben zwei Tage, weil wir uns so wohl fühlen. Beim Abschied vermacht er uns (schriftlich) Land! Er will, dass wir wiederkommen und dort ein Haus bauen. Wir sind gerührt.
Auf der anderen Seite ist Nigeria gefährlich. Der Straßenverkehr ist so chaotisch wie in keinem anderen Land. Überleben ist alles. Direkt vor uns in etwa 100 Metern Entfernung findet am helllichten Tag auf einem sehr befahrenen Highway ein bewaffneter Überfall statt. Wir haben Glück, dass es nicht uns getroffen hat. Gefährliches Land.
Interessanterweise reagieren die Menschen auch auf Paule in extremer Form: Viele wollen ihn streicheln. Wenn wir mit ihm Gassi gehen, sprechen uns immer wieder Leute an, die fragen, ob sie den Hund kaufen können. In Calabar bekommt Paule das größte Kompliment: „Das ist der schönste afrikanische Hund, den ich je gesehen habe. Unglaublich, was man aus einem afrikanischen Hund machen kann, wenn man ihn pflegt!", sagt ein Mann auf der Straße mit bewundernden Blicken. Wir sind stolz auf Paule. Auf dem Weg zur Grenze nach Kamerun hält uns ein Verkehrspolizist an. „Ihr seid zu schnell gefahren!", beginnt er das Gespräch. Dann sieht er Paule, der wie so oft während der Fahrt auf meinem Schoß liegt. „Tier und Passagier", murmelt er vor sich hin, dann „Das ist verboten!", sagt er laut und deutlich. Die anderen Polizisten kommen hinzu. Sie finden Paule süß und wollen ihn streicheln. „Seit wann ist das verboten?", frage ich einen der anderen. Der zuckt mit den Schultern und zeigt auf seinen Chef, der schon mit einem Blatt Papier angerannt kommt. „Das kostet 60 Euro!", meint er lächelnd zu mir. Loyal schaut sich das Blatt genauer an. Da steht tatsächlich, dass Tiere nicht bei Passagieren sein dürfen. Gleichzeitig steht da aber auch, dass man für einen Dachgepäckträger ein Nummernschild braucht und andere absurde Forderungen. „Wenn wir das nicht zahlen, dann sind wir auf jeden Fall wegen des fehlenden Nummernschilds am Gepäckträger dran", meint Loyal leise zu mir. Uns ist beiden klar, dass es hier nur um Geld geht. Da wir kein nigerianisches Geld mehr haben, geben wir ihm unser restliches Geld aus Togo. „Wie viel ist das?", will er wissen. „So in etwa 20 Dollar!" Er ist zufrieden. Bevor er sich noch etwas Neues überlegen kann, fahren wir weiter. Paule muss nun hinten in seinem Körbchen bleiben. Wir wollen nichts riskieren. Wer weiß, wer in der Gegend noch alles die Kopie mit den absurden Forderungen hat. Wir sind froh, Nigeria bald den Rücken kehren zu können.