Abenteuer Afrika – Aus Dog wird Paule …

Von Astrid Macmillian

Im vergangenen Heft haben wir über die Deutsche Astrid 
MacMillian und ihren Mann Loyal berichtet, die in einem Land Rover den afrikanischen Kontinent umrunden. Obwohl sie eigentlich ­keinen Hund mehr wollen, fällt ihnen in Afrika ein solcher in die Arme. Der vierbeinige Familienzuwachs – anfangs einfach „Dog" genannt – bekommt nun einen richtigen Namen: Paule. Jetzt muss Paule erst einmal zum Tierarzt und es muss eine Grundausstattung und Futter besorgt werden. Das ist in Afrika gar nicht so einfach, wie sich herausstellt …

Unsere nächste Station ist Bissau, die Hauptstadt des westafrikanischen Staates Guinea-Bissau. Hier hoffen wir, nicht nur die Visa für Nigeria beantragen zu können, sondern vor allem einen Supermarkt zu finden, in dem es hoffentlich Hundefutter und Hundeaccessoires gibt. Am wichtigsten jedoch erscheint uns ein Tierarztbesuch, denn ohne die nötigen Impfungen werden wir unseren kleinen Hund wohl kaum über die Grenze nach Guinea bekommen.

Wo übernachten?
In Bissau gibt es nur einen einzigen Campingplatz, der eigentlich auch nicht offiziell ist, wie wir bei unserer Ankunft erfahren. Andreas ist Deutscher und seit 30 Jahren in Bissau. Er ist im Autohandel tätig und vermietet ein paar Bungalows. „Einen Camping­platz haben wir hier nicht, aber dort auf dem Rasen dürft ihr zelten." Loyal erklärt ihm, dass wir mit einem kleinen Hund kommen. „Das geht auf keinen Fall. Meine beiden ­Schäferhündinnen würden ihn auffressen. Das ist schon einmal vorgekommen. Und vor zwei Wochen hat die eine ihre eigenen Jungen aufgefressen!" Wir sind geschockt! Was sollen wir nur tun? Unsere erste Station zu dritt, und schon kommen wir in Schwierig­keiten. Als Andreas den kleinen Welpen sieht, wird er aber weich. „Naja, wenn ihr ihn im Auto lasst und nur auf der ­Straße Gassi führt, kann das gehen. Wir haben auch noch einen unbenutzten Zwinger, da könnt ihr euren Hund ­einsperren." Wirklich überzeugt sind wir nicht, aber es scheint, wie haben keine andere Wahl, da es in Bissau ­keine andere Campingmöglichkeit gibt.

Der Kampf ums Bett …
Da uns Dog übrigens ein zu lieb­loser Name erscheint, der vor allem in englischsprachigen Ländern komisch ankommen wird, haben wir unser neues Familienmitglied in Paule ­umbenannt. Da wir Paule auf ­keinen Fall gleich in den ersten Nächten allein im Auto schlafen lassen wollen, erklärt sich Loyal dazu bereit, mit ihm im Auto zu übernachten. Auch wenn der Land Rover, mit dem wir unterwegs sind, zum Campingwagen umgebaut ist, versuchen wir in den heißen und schwülen Ländern das Schlafen im Auto zu vermeiden und benutzen unser Moskitonetzzelt, durch das auch der kleinste Lufthauch durchkommt. Nun müssen Paule und Loyal bei 30 Grad im Auto ausharren. Schlaf bekommen die beiden in dieser Nacht kaum, weil Paule sich freut, Gesellschaft zu haben, und die ganze Nacht mit Loyal kuscheln will. Wir aber ­wollen, dass unser Hund auf ­seinem Platz und nicht in unserem Bett übernachtet. Der Kampf beginnt und beschert Loyal eine schlaflose Nacht.

Am nächsten Morgen schläft Paule, während wir durch die Stadt ­hetzen. Das Visum ist schnell beantragt. Schwieriger wird es mit dem Supermarkt. „Hier gibt es nicht viel. Seit Dezember haben wir keine Lieferung von außerhalb des Landes erhalten", erklärt uns der Besitzer. Immerhin hat er eine Leine – auch wenn die für Paule viel zu groß ist. Halsbänder führt der Supermarkt nicht, genauso wenig wie Hundefutter, zu unserer großen Enttäuschung. Auf dem Rückweg zum Campingplatz finden wir noch eine kleine runde Tupperdose, die wir als Hundenapf nutzen können. ­Wenigstens etwas. Bezüglich eines Tierarztes fragen wir unseren „Experten" Andreas um Rat: „Einen Tierarzt gibt es hier nicht und gab es auch noch nie!", erklärt er uns, „Ich ­impfe meine Hunde immer selbst!" Uns rutscht das Herz in die Hose. Das kann ja heiter werden: Keine Impfpapiere für unseren Hund – wie sollen wir ihn legal über die Grenze bringen?

Etwas frustriert und unsicher machen wir uns nach zwei Nächten auf den Weg in Richtung Guinea. Loyal ist völlig übermüdet. Wir verbringen eine letzte Nacht im Land in einem kleinen Dorf bei einer sehr netten Familie mit zwei gepflegten Hunden. Paule freut sich: Endlich darf er wieder frei herumlaufen und mit den Hunden spielen. Die zwei Tage Eingesperrtsein in unserem Auto waren für den kleinen wilden Racker sicherlich nicht einfach. Wir sind froh, dass es nicht überall mit unserem Hund kompliziert scheint.

Am nächsten Tag beginnt eine schier endlos erscheinende Odyssee durch den afrikanischen Busch, die im Vorfeld anhand der Karte eigentlich nicht erkennbar schien.

Grenzübertritt mit Paule
Erst gegen Abend erreichen wir die Minigrenze zwischen Guinea-Bissau und Guinea, die die Hauptgrenze ­zwischen den beiden Nachbarländern darstellt. An diesem Tag sind wir die einzigen Grenzgänger. Wie immer erledige ich die Grenzformalitäten ohne Loyal, da dieser kein Französisch spricht und deshalb im Auto bleibt. Der Zöllner ist mehr damit beschäftigt, seinen Analphabetismus vor mir zu verbergen, als unser Auto zu untersuchen. Wir kommen über die Grenze, ohne dass jemand unseren Hund sieht. Auf guineischer Seite scheint es schwieriger zu sein: Der Wachmann sitzt neben seiner an die Wand gelehnten Waffe und schaut mich grimmig an. Doch er führt mich gleich zum Zöllner. Aber auch dieser ist anderweitig beschäftigt, haben sich doch Ratten in seinem Büro ihre Nester gebaut, die er zu vertreiben versucht. Schnell stempelt er mein Zolldokument und lässt mich gehen.

Wir können es nicht glauben, als wir schon bald auf der anderen Seite der Grenze sind. Wir sind eingereist, ohne dass jemand den Hund gesehen hat. Paule freut sich, als ich endlich wieder zum Auto komme. Mit einem lauten „Wohoooo" begrüßt er mich. „Mach schnell", sage ich zu Loyal und ­springe in den Landy, „Nicht, dass noch jemand unseren Hund hört." Schnell fahren wir mitten in den afrikanischen Busch.

Die nächsten Tage werden sehr anstrengend. 5 Tage sind wir auf einer 200 Kilometer langen Strecke unterwegs. Die Piste erscheint stellenweise unüberwindbar. Dazu kommt, dass wir fast keine Leute sehen. In dieser Gegend scheinen nicht viele Menschen zu leben. Tagsüber ist es fast nicht möglich anzuhalten, weil wir durch dichten Busch fahren und nicht sicher sind, ob es wilde Tiere gibt. Nur 1-2 mal halten wir für Paule, damit er ­seine Geschäftchen erledigen kann. Der Kleine macht diese Strapazen toll mit.

Ein anderes Problem ist das Futter: Da wir in Bissau ja kein ­Trockenfutter bekommen haben, müssen wir nun abends für ihn mitkochen. Er bekommt (wie zuvor auch) Reis ­vermischt mit einem kleinen Würstchen aus der Dose. In den Dörfern, in denen wir übernachten, herrscht teilweise so große Armut, dass wir Paule nur noch im Auto füttern, damit niemand sieht, was er zu fressen bekommt. Meistens ist es mehr als die Einheimischen täglich essen. Da es so heiß ist, hält sich auch gekochter Reis tagsüber nicht. Deshalb bekommt Paule nun nur noch zweimal am Tag Futter – eben dann, wenn wir unser Essen kochen. Auch wir sind nun dazu gezwungen, täglich Reis zu essen, weil sich Paule von anderem Gemüse oder Nudeln nicht richtig überzeugen lässt. Da wir ihn in den ersten Tagen nicht völlig überfordern wollen, behalten wir zumindest sein Grundnahrungsmittel bei und das ist eben Reis.

Zecken – nicht nur für Paule …
Die Temperaturen sind vor allem bei der Fahrt durch offenes Ge­lände sehr hoch. Häufig messen wir im Auto über 40 Grad. Eine Klima­anlage haben wir nicht. Während Loyal und ich das Wasser literweise in uns kippen, ­verweigert Paule jegliches Wasser, das wir ihm in einer kleinen Tupper­dose anbieten. Er ist äußerst misstrauisch. Wir gehen davon aus, dass ihm noch nie jemand Wasser auf diese Art und Weise angeboten hat. Wahrscheinlich hat er bisher – wenn überhaupt – nur aus Pfützen ge­trunken. Am dritten Tag greifen wir schließlich zu einer List und mischen sein Fressen zur Hälfte mit Wasser. Endlich trinkt er auch das Wasser. Wir sind erleichtert. Bei der Hitze kann auch ein Hund ohne ­Wasser nur kurze Zeit überleben.

Da wir jeden Abend in einem kleinen guineischen Dorf im Busch übernachten und dort mit Paule spazieren gehen, hat dieser jeden Abend neue Zecken. Als er an einem Abend einen Welpen trifft, bekommt er wieder Flöhe. Wir sind verzweifelt und haben Angst, uns selbst Zecken ­zuzu­ziehen bzw. Flöhe in unser Auto zu be­kommen. Wir suchen Paule jeden Abend vor dem Schlafengehen ab. Trotzdem muss Loyal auch mir zwei Zecken entfernen. Uns wird klar: Wir brauchen dringend einen Tier-­arzt und ein Antiinsektenmittel für Paule.

Endlich ein Tierarzt
Nach fünf Tagen im Busch ­kommen wir endlich an unser nächstes Ziel: In Kindia, einer größeren Stadt, ­wollen wir Hélène und Balla be­suchen, die mit ihrem 6 Monate alten Sohn in einer kleinen Wohnung am Stadtrand ­wohnen. Sie sind sehr gastfreundlich und teilen mit uns ihre Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung. Glücklicher­weise gibt es in Kindia einen Tierarzt. Es stellt sich zwar heraus, dass dieser v.a. für die Kühe der Bauern zu­ständig ist. Trotzdem hilft er uns: Paule bekommt ein ­Anti-Ungeziefer-Bad. Der ­Veterinär und seine Gehilfen gehen dabei nicht zimperlich vor. Man merkt, dass sie sich normaler­weise eher um Nutztiere als um Haustiere ­kümmern. Mehrere ­Männer halten Paule an den Beinen in der Luft fest, so dass er ­kopfüber nach unten hängt. Geschockt schaut ­Paule in unsere Richtung und ­wimmert leise. Bei der nachfolgenden ­Tollwut-Impfung gibt er da­gegen keinen Mucks von sich. Wir sind ­richtig stolz auf ihn. Für ­seinen ersten ­Tierarzt-Besuch hat er sich super verhalten. Der Veterinär füllt noch das offizielle Impfbuch (in dem alles nur auf Französisch steht) aus und gibt uns eine halbe ­Ent­wurmungstablette mit. Die ­andere Hälfte verabreichen die Männer Paule, indem sie seinen Kopf in die Höhe reißen, sein Maul öffnen und Wasser hinterhergießen. Das ­Ganze sieht ziemlich grausam aus, aber irgendwann schluckt unser Hund die Tablette. Zur Belohnung bekommt er von uns danach einen Fleischspieß, den man hier überall am Straßenrand kaufen kann.

Mit einem etwas besseren Gefühl verlassen wir Kindia, das Impfheft in der Tasche. Allerdings müssen wir bei nächster Gelegenheit einen neuen Tierarzt suchen, da dieser Veterinär außer der Tollwut-Impfung keine anderen Impfstoffe vorrätig hat. Wir hoffen, dass wir im nächsten Land Sierra Leone mehr Glück haben ­werden.

Lesen Sie im nächsten WUFF weiter die spannenden Abenteuer von Paule und seiner Familie MacMillian.

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