Abenteuer Afrika – Auf den Hund gekommen …

Von Astrid Macmillian

Die Deutsche Astrid MacMillian träumt seit vielen Jahren davon, in einem Land Rover den ­afrikanischen Kontinent zu umrunden. Nun wird ihr Traum endlich wahr. Als Lehrerin beantragt sie ein sog. Sabbatjahr und macht sich zusammen mit ihrem Ehemann Loyal auf den Weg. Obwohl die beiden keine Afrika-Neulinge sind, machen sie ganz neue Erfahrungen, und obwohl sie keinen Hund mehr wollen, fällt ihnen in Afrika ein solcher in die Arme. In WUFF erzählt sie über ihr Abenteuer.

Seit vielen Jahren träume ich davon, den afrikanischen Kontinent in einem Land Rover Defender zu umrunden. In diesem Jahr wird mein Traum endlich wahr: Als Lehrerin habe ich ein ­Sabbatjahr be­antragt und mache mich nun zusammen mit meinem Ehemann Loyal auf den Weg. In den letzten zwölf Jahren hat es mich in fast jedem Sommer in eine andere ­afrikanische Gegend verschlagen – deshalb bin ich kein Afrika-Neuling mehr. Trotzdem ist diese Reise eine ganz neue Erfahrung für mich. Nicht nur, dass auch „gefährliche Gebiete" wie ­Mauretanien, ­Nigeria und die Demokratische Republik Kongo auf dem Weg liegen. Auch die Reise mit dem Auto birgt ganz neue Erlebnisse und Schwierigkeiten in sich. Wie gut, dass mein Mann ein Entwicklungsingenieur im Automobilbereich ist und sich super mit Autos auskennt. Da steht unserem Abenteuer nichts mehr im Weg.

Es beginnt wie Urlaub
Die ersten Wochen durch Frankreich, Spanien und Marokko sind angenehm und eigentlich als Urlaub zu bezeichnen. Schwieriger wird es, als wir durch die Westsahara, Mauretanien und den Senegal kommen. Auf der einen Seite machen uns die Hitze und die vielen Moskitos zu schaffen, auf der anderen Seite ist die Sicherheitslage teilweise besorgniserregend. Wir freuen uns, als wir endlich die schlechten ­Straßen in der Casamance, im Süden des Senegals, hinter uns lassen und an der Grenze zu Guinea-Bissau ankommen. Diese ist erst seit wenigen Stunden wieder geöffnet, da es wieder einmal einen Putschversuch gegeben hat. In Guinea-Bissau ist das nichts Neues. Die erst im April des vorigen Jahres auch durch einen Putsch an die Macht gekommene Regierung hat dem Angriff allerdings standgehalten, und so können wir in ein ruhiges und friedliches Land einreisen. Um eventuellen Unruhen in der Hauptstadt aus dem Weg zu gehen, fahren wir über eine mit dem Auto fast unüberwindbar erscheinende Piste zum kleinen Küstendorf Varela, das herunter­gekommen wirkt und auch schon einmal bessere Zeiten erlebt zu haben scheint.

Fast eine Woche leben wir bei der Familie von Souleymane, die in einer Hütte etwa 200 Meter vom Strand entfernt lebt. Die Familie gehört zum Stamm der Peul, die von und mit ihren Tieren leben. Um die Hütte herum grasen etwa 100 Rinder, im Hof ­springen viele Ziegen und ­Hühner umher. Ein richtiger afrikanischer ­Bauernhof sozusagen.

Auf den Hund gekommen
Bei unserer Ankunft springt uns ein kleiner Hundewelpe entgegen, der uns gleich als „Dog" vorgestellt wird. „Ach ist der niedlich!" – Ich bücke mich, um ihn zu streicheln. „Du magst den Hund? Dann ist es dein Hund. Er fährt dann mit dir nach Europa!", sagt ­Souleymane zu mir. Geschockt schaue ich zu Loyal und stehe auf. Schnell gehen wir zu unserem Auto zurück. Über Souleymanes Kommentar denke ich nicht weiter nach. Wir schlagen direkt neben der Hütte unser Zelt auf. In der nächsten Woche leben wir mit der sehr gastfreundlichen ­Familie. In vielen afrikanischen Dörfern er­leben wir diese umwerfende Gastfreundschaft. Schon nach kurzer Zeit weicht uns Dog kaum mehr von der Seite. Wenn er einmal nicht bei uns ist, dauert es keine Stunde, bis er uns von einem der Kinder gebracht wird. Nachts versucht der Kleine, in unser Zelt zu klettern. Als das nicht gelingt, macht er es sich vor dem Eingang bequem und hält die Ziegen fern, die ansonsten an unserem Zelt herumknabbern.

Dog weicht nicht von unserer Seite
Nach drei Tagen wird uns diese ­Situation langsam unheimlich: „Du, ich glaube, die meinen das mit dem Hund ernst", sage ich beim Frühstück zu Loyal. „Es stimmt, die wollen, dass wir den Kleinen mitnehmen, aber das ist ganz und gar unmöglich!", macht Loyal seinen Standpunkt klar. „Wir haben schon genug Schwierigkeiten auf dieser Reise. Wir können in unserem Land Rover nicht auch noch einen Hund mitnehmen. Das macht nur ­Probleme!"

Wir sind beide mit Hunden aufgewachsen. Zu meiner Familie gehörte Cindy, eine Yorkshire-Terrier-Hündin. Ich stehe eher auf kleine Hunde, die so wie Yorkshire-Terrier wenig Haare verlieren und die man sogar bei Flugzeugreisen leicht mitnehmen kann. Loyal dagegen liebt große Hunde – je größer, desto besser. Er selbst ist mit mehreren Berner Sennenhunden aufgewachsen. Seinen Rüden Forst hat er sogar jeden Tag mit in die Schule genommen. Da solche Hunde aber viel Pflege brauchen und mir klar ist, dass vieles früher oder später an mir ­hängen bleiben würde, weil Loyal beruflich stark eingespannt ist, habe ich ein Veto eingelegt: In unser Haus kommt kein Hund.

80 Zecken in 2,5 Stunden
Das war der Status quo, als wir in Varela ankamen – bis Dog kam! Da der Kleine uns immer mehr auf die Pelle rückt, beschließen wir, ihn einer ausgiebigen Wäsche zu unterziehen. Wir füllen unseren Falteimer, der normalerweise zum Wäschewaschen verwendet wird, und schäumen den kleinen Hund ein. Dog hält dabei ganz still und gibt keinen Laut von sich. Das bin ich von Cindy ganz anders gewöhnt, die beim Baden immer ein solches Theater gemacht hat, dass die Nachbarn dachten, wir würden ­unseren Yorkie massakrieren.

Die Familienmitglieder beobachten unsere Waschaktivitäten und amüsieren sich. Kein Wunder, waschen sie doch ihre eigenen Kinder weniger als wir diesen Hund. Nach dem Baden rückt Loyal mit der Pinzette den Zecken auf die Pelle. In zweieinhalb Stunden findet er etwa 80 von ­diesen Mistviechern. Dogs Augenränder bestehen fast nur aus Zecken. Der Kleine bleibt auch bei dieser ­sicherlich teilweise sehr schmerzhaften ­Prozedur völlig ruhig. Im Gegenteil: Es scheint, als genieße er die ungewohnte Aufmerksamkeit. Am Ende ist er auf ­Loyals Schoß eingeschlafen. „Der sieht jetzt ja richtig gut aus!", sage ich anerkennend. „Können wir es ihm überhaupt noch antun, ihn hier zu lassen?"

In den nächsten Tagen kreisen unsere Gespräche um den kleinen Hund. „Das wäre total verrückt!", meint Loyal. „Aber wir wollten doch eigentlich immer einen Hund!", wende ich ein. „Wirklich?" Loyal spitzt die Ohren. Das sind ja ganz neue Töne von mir. „Ok. Dann machen wir das!", sagt er entschlossen. Unsere Entscheidung ist getroffen. Nun gilt es, mit der Familie zu sprechen. Vielleicht wollen sie ihn jetzt, wo er so sauber ist, doch nicht mehr abgeben.

Wer jetzt empört ist und denkt: „Krass! Die wollen der Familie einfach ihren Hund wegnehmen!", muss wissen, dass der Stamm der Peul, zu dem die Familie gehört, Tiere zwar hoch schätzt, ihr Herz allerdings nicht an Hunde hängt. Das heißt, dass der Kleine mehr zum Grundstück als zur Familie gehört. Die Kinder ­scheinen somit auch nicht traurig beim Gedanken daran, dass Dog mit uns reisen wird. Vielmehr beneiden ihn alle ­darum, dass er ihren eigenen Traum, nach Europa zu reisen, realisieren wird.

Dog ist etwa 5 Monate alt und wird wahrscheinlich riesig. Wir haben ihn eigentlich als Wachhund hierher gebracht", erzählt uns Souleymane, als wir die Verhandlungen beginnen. Etwas ungläubig schauen wir auf den Kleinen. Obwohl er schon 5 ­Monate alt ist, ist er noch winzig, reicht uns gerade zur Wade. Loyals Augen strahlen. „Je größer desto besser!" Um alles wird hier in Afrika gefeilscht und diskutiert. Das gehört dazu. Auch um diesen kleinen Mischling. Er sieht aus wie alle Hunde, die wir hier sehen: Braunrötliches Fell, schmales Gesicht. Dazu hat er einen dunklen Streifen auf dem Rücken. „Da steckt sicherlich viel von einem Rhodesischen Ridgeback drin", ist sich Loyal sicher. So sehr sich die Familie wundert, dass wir gerade diesen Hund haben wollen (wo doch alle hier irgendwie gleich aussehen), so sehr hofft sie nun auf ein Jahreseinkommen angesichts unserer weißen Hautfarbe. Wir haben ja Geld. Wir wollen nicht den Eindruck machen, dass wir nichts für den Kleinen ­zahlen wollen. Trotzdem wollen wir uns auch nicht abzocken lassen. Am Ende ­zahlen wir etwa 50 Euro und schenken dazu ein Suppenservice aus Marokko. Souleymane strahlt. Mit dem Geld kann er sicherlich drei neue Hunde im Nachbardorf kaufen. Wir machen ein Abschlussbild. Alle sind glücklich mit dem „Tausch".

Doch was in Europa ­organisatorisch ganz einfach ist – man kauft einen Hund, geht danach (oder davor) in ein Tiergeschäft und kauft ­Accessoires und Hundefutter – ist hier in West­afrika äußerst kompliziert. Es ­scheitert schon an einer Leine, weil man in Guinea-Bissau nirgends ein Seil oder ähnliches kaufen kann. Not­gedrungen opfern wir einen Teil ­unserer Ab­schleppleine und binden sie dem ­Kleinen um. Das muss in den ­nächsten Tagen reichen. Als wir das Zelt ab­bauen und alles ins Auto packen, ist Dog immer um uns und weicht uns nicht von der Seite. Als es losgeht, liegt er auf meinen Beinen und schaut aus dem Fenster. Wir ­lassen den Hof hinter uns. Unser Abenteuer zu dritt beginnt.

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