Gewöhnung an das Brustgeschirr

Von Yvonne Adler

Die Kolumne zum Thema „Alltagsprobleme mit dem Hund". WUFF-Autorin Yvonne Adler, Tierpsychologin, akademisch ­geprüfte ­Kynologin und Hundetrainerin, beantwortet Ihre Fragen. Schicken Sie uns Ihr Alltagsproblem mit Ihrem Hund , kurz formuliert und mit 1 bis 2 Bildern. In dieser Ausgabe möchte eine  WUFF-Leserin wissen, wie sie ihrem Hund das Tragen eines Brustgeschirrs angewöhnen kann.

Liebe Frau Adler!

Unsere Kaya ist ein ­Windhundmischling, 2 ½ Jahre alt und bei uns seit ca. 3 Monaten. Sie ist von einer Tierschutz­organisation zu uns gekommen.
Kaya sollte ein Brustgeschirr tragen, da sie, wahrscheinlich aufgrund ihrer ­Vorerfahrungen, oftmals in Panik gerät und wir sie damit besser sichern können. Kaya findet das Brustgeschirr jedoch gar nicht toll. Ein Halsband nimmt sie ­gerne an, sofern wir es ihr nicht über den Kopf ziehen. Sie mag daher das Geschirr ­einfach nicht ­anziehen bzw. läuft sogar in einen anderen Raum, wenn wir mit dem Brustgeschirr ­kommen.
Vielleicht haben Sie einen Tipp für uns? Vielen Dank im Voraus für Ihre ­Antwort!
Liebe Grüße, Familie Schütz!

Antwort von Yvonne Adler:

Liebe Familie Schütz!
Ich kann Ihre Bedenken durchaus nachvollziehen, da Kaya sich in ihrer Panik mit einem Halsband verletzen könnte und die Panik dadurch möglicher­weise sogar verstärkt würde. Aus Ihrer Erklärung schließe ich, dass Sie bisher Brustgeschirre verwendet haben, die über den Kopf gezogen werden ­müssen. Oftmals ist die einfachste Lösung, ein Brustgeschirr zu ­versuchen, in das Kaya mit den Vorderpfoten hineinsteigen kann, wenn es auf dem Boden liegt. So kann es dann einfach hochgezogen und über dem Rücken geschlossen werden. Der Nachteil an diesen Geschirren ist jedoch, dass Kaya in Panik vielleicht leichter hinausschlüpfen kann.

Um hier Abhilfe zu schaffen, muss das Anlegen des Brustgeschirrs ­richtig antrainiert werden. Es ist nicht für jeden Hund in Ordnung, wenn das Geschirr einfach über den Kopf ­gezogen wird. Bei Kaya ist diese ­Abfolge anscheinend schon negativ besetzt. Das Training muss also neu gestartet werden, um die negativen Emotionen zu vermeiden. Dazu sollten Sie ein neues Geschirr besorgen. Es sollte sich vom alten Modell in Farbe und Beschaffenheit deutlich unterscheiden.

Geschirrtraining

Dann kann das Training gleich starten: Überlegen Sie sich, welchen Abstand ein Gegenstand zu Kaya haben muss, damit sie sich nicht bedroht fühlt und eventuell sogar den Kopf durchsteckt. Um dies zu testen, können Sie beispielsweise einen Hula-Hoop-Reifen heranziehen. Sie halten diesen ruhig und versuchen Kaya mit Leckerchen zu motivieren, den Kopf durchzu­stecken. Dazu halten Sie das Leckerchen entweder vor sie oder bestreichen den Reifen zum Beispiel mit Leberpastete. Sobald Kaya nun den Kopf durchsteckt, geben Sie ein Kommando. Ich nehme dazu gerne „Anziehen". Dieses neue Kommando soll immer erst dann gegeben werden, wenn Kaya bereits auf dem Weg mit ihrem Kopf in den Reifen ist. Ihr Hund darf sich dabei dem Reifen zu jeder Zeit auch wieder entziehen bzw. zurückweichen. Bitte halten Sie beim Training auch bereits das Brustgeschirr zum Reifen, damit Kaya das Kommando auch direkt mit dem Anblick des Brustgeschirrs verknüpfen kann.

Beim Training ist von größter Wichtigkeit, dass das Kommando und das neue Brustgeschirr etwas absolut Positives für Kaya sind. Deshalb müssen immer gute Leckerchen verwendet werden. Wenn der erste Schritt gut klappt, also Kaya den Kopf in den großen Reifen steckt, adaptieren Sie das Training. Sie beginnen mit einem kleineren Reifen zu trainieren (z.B. können kleine Stücke aus dem Reifen geschnitten werden, sodass Sie ihn enger zusammen­drücken können). Wichtig ist, dass das Brustgeschirr beim Training immer mit dabei ist. Kaya soll es sehen können, damit sie die positive Übung immer mit dem Anblick vom Brustgeschirr verbindet. Sie steigern das Training so lange, bis Kaya den Kopf freudig in einen ­Reifen mit der Größe des Brustgeschirrs hineinsteckt. Erst jetzt halten Sie das Brustgeschirr wirklich zum „Anziehen" dazu.

Nach mehreren Wiederholungen beginnen Sie, die ersten Riemen des Geschirrs zu schließen – zuerst nur für wenige Sekunden und nur einen Riemen. Klappt dies gut, beginnen Sie auch den zweiten Riemen zu schließen. Wenn alles gut klappt, wird der Zeitraum nach und nach verlängert. Das Training sollte Kaya zu jeder Zeit Spaß machen, deshalb müssen immer wieder hochwertige Leckerchen folgen. Erst wenn das Brustgeschirr gerne und freiwillig getragen und angezogen wird, können die Intervalle verändert werden, in denen die Belohnungen folgen. Wichtig ist hierbei noch, dass Kaya immer nur für das Tragen und das Anziehen belohnt werden soll – keines­falls beim Ausziehen. So kann Ihr Hund sehr schnell die Schlussfolgerung ziehen, dass nur dann gute Belohnungen kommen, wenn das „Ding" angezogen wird. Niemals jedoch, wenn das Geschirr wieder weg ist.

Bei dem gesamten Training ist wichtig, dass Sie die Übung sehr positiv sehen und auch Freude, Spaß und Motivation empfinden. Ihre Grundstimmung überträgt sich auch auf Kaya.

Wenn Sie dieses Training konsequent verfolgen, können Sie Kaya in Zukunft anziehen, ohne dass es immer ganz tolle Leckerchen dafür gibt, schließlich haben Sie ja nun ein Kommando dafür. Sie sollten Kaya aber trotzdem noch hohe Aufmerksamkeit schenken und Belohnungen einsetzen, wenn sie das Geschirr trägt. Schließlich muss sich das Verhalten für den Hund auch ­lohnen.

Ich wünsche Ihrer Familie und Kaya, dass Ihr gemeinsames Training ­großen Erfolg und in Zukunft entspannte ­Spaziergänge bringt!

Ihre Yvonne Adler

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