Verhalten: Vorderkörpertiefstellung – unterschiedliche Bedeutungen

Von Susanne Kautz

Das Ausdrucksverhalten, d.h. Mimik und Körpersprache unserer Hunde, ist unglaublich vielfältig, wie jeder von uns weiß. Zudem können dieselben ­Elemente, wie bspw. die Vorderkörpertiefstellung, je nach Kontext unterschiedliche Bedeutung haben, erklärt Hundetrainerin Susanne Kautz.

Vorderkörpertiefstellung als Spielaufforderung
Wer kennt sie nicht, die Spielaufforderung unserer Hunde? Und sofort haben wir ein Bild von einem Hund in einer Art Verbeugung im Kopf. Richtig, die sogenannte Vorderkörpertiefstellung (engl. bow) wird in den meisten Fällen im Spiel gezeigt, doch wie sieht denn so eine Spielaufforderung nun genau aus? Dr. Feddersen-Petersen beschreibt sie in ihrem Buch „Hundepsychologie“ so: „Die Vorderkörper-­Tief-Stellung sieht folgendermaßen aus: Der Hund senkt den Vorderkörper, die im Ellenbogengelenk stark gewinkelten Vorderbeine werden seitlich gespreizt gehalten, der Schwanz wedelt, der Kopf des Tieres wird eventuell schief gehalten oder auch ruckartig bewegt. Dazu kann gebellt werden. Aus dieser Stellung heraus kann der Hund plötzlich ­hochspringen und/oder weglaufen unter meist übertriebenem Kopf­wenden – als Einleitung des Rennspieles, …“.

Für die folgenden Vergleiche ist es von Bedeutung, die Beschreibung des Hundekörpers bei der Vorderkörpertiefstellung etwas detaillierter darzustellen: Betrachten wir als Erstes den Kopf. Dieser ist meist erhoben und der Hund sollte ein sog. „Spielgesicht“ zeigen, d. h. einen entspannten Eindruck machen. Dafür ist der Blick freundlich auf den Spielpartner gerichtet und nicht fixierend, das Maul ist meist leicht geöffnet, was wie ein Lächeln aussieht. Manchmal werden auch Elemente wie Nasenrückenrunzeln oder Lefzenheben gezeigt, die sich sonst beim Drohverhalten finden. Ein nach hinten langgezogener Mundwinkel bei geschlossenem Fang gehört nicht zu einer Spielaufforderung. Die Stellung der Ohren variiert, meist stehen sie nach vorne oder nach seitlich. Nicht selten geht diese Vorderkörpertiefstellung mit einem „Spielbellen“ einher, ein hohes aufforderndes Bellen, deutlich zu unterscheiden von ­„ernsthaftem“ (z. B. territorialem) Bellen.

Die Vorderbeine sind im Ellenbogengelenk stark angewinkelt, oft liegen die unteren Gliedmaßen bis zum Ellenbogen auf dem Boden auf, aber nicht zwingend. Abhängig von der Intensität der Spielaufforderung und der ­individuellen Vorliebe des Hundes sind die Vorderbeine parallel zu ­einander oder weit gespreizt. Der Vorderkörper liegt mit dem Brustkorb fast oder ganz auf dem Boden auf. Die Wirbelsäule vollführt einen Bogen, das Hinterteil des Hundes ist erhoben. Die Rute sollte angehoben sein und mit großer Amplitude wedeln.

Diese wahrhafte Spielaufforderung wird entweder zur Ini­tiierung eines Spiels („Komm, ich bin in Spiellaune“) oder zur Aufrechterhaltung eines Spiels („Ich möchte weiterspielen“) gezeigt, zumeist in Interaktion mit einem Spielpartner; dabei kann es sich um einen Hund, aber auch um andere Sozialpartner wie Menschen oder andere Tiere (Igel, Katzen, Kaninchen etc.) handeln. Auch unbelebte Objekte werden schon mal zum Spielen aufgefordert – so kann ein sich in Spiellaune befindender Hund z. B. einen Ball, einen Tannen­zapfen oder ein Handtuch mit einer Vorderkörpertief­stellung anspielen. Auch im Solitärspiel, wenn also der Hund mit sich selbst spielt, kann ein übermütiges Rennen mit einer Vorder­körpertiefstellung gestoppt werden. Der Hund bewegt den Kopf ruckartig, nicht zielgerichtet hin und her, um dann plötzlich wieder aufzuspringen und weiter zu rennen. Wir Menschen bezeichnen das oft lächelnd als „Jetzt hat er ­wieder seine 5 Minuten!“

Vollführen zwei Hunde miteinander ein Rennspiel, wird die Vorderkörpertiefstellung auch hier des Öfteren zum „Bremsen“ gezeigt: der verfolgte Hund wendet sich im Lauf zu seinem Verfolger um und verharrt in der Spielaufforderung. Dadurch signalisiert der Hund weiterhin seine Spielbereitschaft, allerdings möchte er entweder seine Rolle als „Hase“ abgeben, oder erfahrene Hunde unterbrechen so das Rennspiel und nehmen die Geschwindigkeit heraus, damit es nicht zu übermütig wird und eventuell in ernsthaftes Hetzen kippt. Spielen zwei vom Status sehr unterschiedliche Hunde mit­einander, also ein souveräner Hund mit einem unsicheren, so gehen oft viele Vorderkörpertiefstellungen von dem erfahreneren Hund aus. Damit reduziert sich der erfahrene Hund, wohl um dem unsicheren Hund Raum zu geben und immer wieder zu versichern, dass alles in Ordnung ist. Hier wird die Vorderkörpertiefstellung sozusagen als Beruhigungssignal benutzt.

Vorderkörpertiefstellung als Hüteverhalten
Einige passionierte Hütehundrassen neigen allerdings dazu, auch in einer sehr ähnlich aussehenden Vorderkörpertiefstellung zu hüten. Auch hier ist der Vorderkörper gesenkt und die Vorderbeine sind stark angewinkelt. Unterscheiden kann man aber das Hüteverhalten von der Spielaufforderung sehr deutlich an der Rutenhaltung und dem Gesicht. Die Rute wird hier gesenkt getragen, ohne zu wedeln. Das Gesicht zeigt eine Angespanntheit – schließlich ist hund gerade bei der Arbeit und konzentriert, d.h. der Blick ist fixierend und starrend, das Maul geschlossen, die Ohren nach vorne gestellt. Die komplette Aufmerksamkeit des Hundes ist auf das zu hütende Element gerichtet – un­abhängig davon, ob es sich um einen Sozialpartner oder ein Objekt handelt. Der gesamte Hund wirkt deutlich an­gespannter als der locker spielende Hund mit weichen Bewegungen.

Vorderkörpertiefstellung als Element des ­Jagdverhaltens
Da Hüten aus Elementen des Jagdverhaltens besteht, ist hier eine große Ähnlichkeit zu entdecken. Allerdings ist die Intention dieser Vorderkörpertiefstellung bei Beginn der Ausführung mit einem Sozialpartner noch die Aufrechterhaltung der Spielstimmung, die sich dann verändert. Betrachtet man also noch den in Vorderkörpertiefstellung entspannt wedelnden Hund mit freundlich auf seinen Spielpartner gerichtetem Blick, so nimmt auf einmal die Spannung im Körper zu: der Kopf wird oft leicht gesenkt oder sogar auf dem Boden abgelegt, das Maul schließt sich, Blick und Ohren sind voll auf den Mitspieler gerichtet und die Rute hört auf zu wedeln – ist aber noch erhoben, anders als beim Hüten. Nun ist der Hund in eine Lauerstellung gegangen, quasi eingefroren, und wartet mit geneigtem Vorderkörper auf den Moment des spielerischen Scheinüberfalls. Ist der Sozialpartner in diesem Fall ein Hund, ist er oft leicht ­irritiert, weil er vom Spielpartner auf einmal zur Beute geworden ist.

Vorderkörpertiefstellung als Deeskalationsverhalten
Wird ein Hund von einem anderen sehr bedrängt, versucht sich der bedrängte zu entziehen oder ihn sich auf Abstand zu halten. Manche Hunde wenden sich dem Bedränger zu und weichen mit dem Oberkörper nach hinten unten aus. Das sieht ähnlich aus wie eine Vorderkörpertiefstellung. Was aber deutlich von einer Spielaufforderung zu unterscheiden ist, ist zum einen die Mimik, zum anderen die Rute und zu guter Letzt der Körperschwerpunkt. Das Gesicht des ausweichenden Hundes wirkt gestresst, deutlich erkennbar an den weit zurückgelegten Ohren, dem geschlossenen Maul mit zurückgezogenen Lefzen und der glatt gezogenen Stirn. Die Rute ist, abhängig vom Selbstbewusstsein des Hundes, entweder imponierend erhoben oder unsicher gesenkt, zum Teil sogar unter den Bauch gezogen. Der Körperschwerpunkt ist weit nach hinten gelegt, also auf Flucht ausgerichtet bzw. um möglichst viel Abstand zwischen sich und den anderen Hund zu bringen und deutlich zu ­signalisieren: „Komm nicht näher, lass mich in Ruhe, ich will keinen ­Kontakt mit dir.“

Vorderkörpertiefstellung zum Strecken bzw. Rückenentspannen
Nach dem Aufstehen strecken sich Hunde gern – auch dabei kann man eine Vorderkörpertiefstellung sehen, allerdings eine situationsbezogene, oft einhergehend mit Gähnen. Dabei liegen die Ellenbogen nicht auf, die Zehen und Krallen werden gestreckt und es gibt kein Gegenüber, welches mit einbezogen wird. Gewedelt wird nicht, sondern die Rute folgt in der Bewegung nur als Verlängerung der Wirbel­säule und wird ohne Amplitude mit gestreckt.Wenn ein Hund Rückenbeschwerden oder Verspannungen hat, zeigt er dieses Verhalten vermehrt am Tag auch in ungewöhnlichen Situationen wie während kurzer Pausen in aktiven ­Phasen. Ist dies der Fall, sollte ein Physiotherapeut konsultiert ­werden.

Vorderkörpertiefstellung als Trick
Auch eine „Verbeugung“ auf Kommando ist trainierbar und gern bei Auftritten im Bereich DogDance gesehen. Dabei handelt es sich um eine abrufbare Vorderkörpertiefstellung – ein Verhalten, welches weder situationsabhängig noch in Abhängigkeit mit Sozialpartnern steht. Bei der Verbeugung geht es ausschließlich um die Ausführung eines Kommandos. Für die Bequemlichkeit des Hundes setzen die Ellenbogen meist auf – so kann diese Position für eine längere Dauer gehalten werden. Der Hund ist dabei entspannt, der Blick offen, die Rute hängt herab.

Vorderkörpertiefstellung als aktive Submission
Bei einer aktiven Submission eines Hundes zeigt dieser aus Eigeninitiative demütiges Verhalten wie Lefzenlecken. Dabei wird der Körper abgeduckt, um die Lefzen von unten zu lecken. Bei großen Hunden, die eine aktive Submission bei kleineren Hunden zeigen, sieht es ebenfalls wie eine Vorderkörpertiefstellung aus: die Vorderbeine sind im Ellenbogen stark abgewinkelt und der Oberkörper fast auf dem Boden, das Hinterteil ist angehoben. Allerdings ist die Rute tief gesenkt und wedelt sehr schnell in einer sehr kleinen Amplitude. Die Ohren sind nach hinten an den Kopf gelegt. Es handelt sich also hier nicht um eine Spielaufforderung, sondern um ein demütiges Verhalten, welches den anderen zeigen soll: „schau, wie klein ich neben dir bin.“

Eine Vorderkörpertiefstellung kann sowohl von jungen als auch von erwachsenen Hunden gezeigt werden, und dies rasseunabhängig. Jeder Mops und jede Dogge ist dazu ­körperlich in der Lage. Ob, wie oft und in welchen ­Situationen ein Hund allerdings eine Vorderkörpertief­stellung zeigt, ist abhängig von Charakter, Erfahrung, ­Vorlieben und Gesundheit des Tieres.

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