Spiel mit mir! – Warum Sozialspiel mit dem Menschen so wichtig ist

Von Karin Joachim MA

Wer spielt nicht mit seinem Hund? Bällchenwerfen, ­Agility, ­Leckerchensuche: Dies sind typische Beschäftigungen, die wir Menschen oft als Spiel mit dem Hund ansehen. Aber ist es das, was Hunde spielen würden, wenn sie die Wahl hätten, und ­bringen diese Beschäftigungen etwas für die Mensch-Hund-Beziehung?

Hunde lieben Sozialspiele, also Spiele mit einem oder mehreren Partnern. Sie spielen auch einmal mit sich selbst, meist mit Hilfe eines Gegenstandes, aber das Sozialspiel ist für sie das Größte. Das Spiel bei Hunden ist gekennzeichnet durch eine Aneinanderreihung von Ver­haltensweisen aus ganz unterschied­lichen Kontexten. Dabei ist das, was als nächstes folgt, nicht ritualisiert sondern spontan: Ein Hopser, eine Kehrtwende, ein leichtes Anrempeln. Der Mitspieler kann sich darauf einlassen oder auch nicht. Tut er das nicht und bietet ein anderes Verhalten an, gilt es sich nun darauf einzulassen oder eben nicht. Ziel jedoch ist es, das Spiel aufrecht zu halten, denn Spiel hat eine besondere Qualität. Nur wer kooperiert kann weiterspielen.

Auch Rollenspiele gehören zum hundlichen Spielrepertoire: Selbst Hunde­eltern beharren nicht immer auf ihrer Position und lassen auch schon einmal die Jungspunde gewinnen. Wer oben auf ist und über dem anderen steht, ist in diesem Kontext egal. Genauso wer das Spiel beginnt oder vorausläuft. Missverständnissen wird dennoch vorgebeugt, indem Hunde ihr Spielgesicht aufsetzen mit ganz deutlicher, auf uns häufig ­übertrieben wirkender Mimik. Da werden die ­Zähne gefletscht und das Maul weit aufgerissen, dass uns angst und ­bange wird. Sie knurren und bellen, aber viel melodischer als wenn sie es ernst meinen würden. Ständig wechselt ihr Ausdruck. Immer wieder gibt der „play bow", die Vorderkörpertiefstellung, Sicherheit: Es wird gespielt. Aber: wer sich unfair verhält, indem er beispielsweise zu stark zwickt, für den findet sich bald kein Spielpartner mehr. Also heißt es, sich selbst zu zügeln und fair zu spielen. Spiel hat also viele Funktionen: motorische, kognitive und soziale.

Sozialpartner Mensch
Die Umwelt des Hundes ist die menschliche Welt. Da trifft es sich gut, dass es Hunde im Allgemeinen sehr mögen, mit uns zu spielen. Sie spielen sogar anders mit uns als mit ihren vierbeinigen Kumpels: So lassen sie einen Gegenstand schneller liegen, geben ihn ab, sind also weniger wettbewerbsorientiert als untereinander. Hunde, die viel mit ihren Menschen spielten, waren im Alltag viel ausge­glichener und sogar leichter handelbar. Wenn Menschen während des Spiels mit ihrem Hund sprachlich und stimmlich ihre Freude und ihren Spaß zum Ausdruck bringen, fördert dies die hundliche Spielbereitschaft.

Es scheint, als ob die Jahrtausende währende gemeinsame Sozialisation von Mensch und Hund tatsächlich ein gegenseitiges Verständnis hervorgebracht hat. Sicher wäre alles nicht so einfach, wenn nicht Hund und Mensch über ähnliche Sozialsysteme verfügten: Kooperation, der Wunsch nach Bindung und ähnliche soziale Bedürfnisse sind die Basis für die zwischenartliche Spielfreude.

Wie spielen wir mit unseren ­Hunden?
Ballwerfen, das finden wir Menschen toll. Der Ball fliegt, der Hund rennt hinterher, und dies nun wieder und wieder. Wir wollen den Hund schließlich müde machen. Beim monotonen Ballwerfen werden jedoch Elemente aus dem Jagdverhalten herausgegriffen und immer und immer wieder eingeübt. Dorit Feddersen-Petersen gibt zu bedenken, dass im Extremfall der Hund damit sogar selbst zum Spielobjekt instrumentalisiert wird. Sie schreibt in ihrem Buch „Ausdrucksverhalten beim Hund": ­„Menschen fehlt vielfach die Fähigkeit zu ursprünglichem Spiel, da sie im Laufe des Erwachsenwerdens von den in unserer Gesellschaft bestehenden Wettkampfregeln völlig eingenommen wurden." Dies ist zum Beispiel oft beim Agility der Fall. Leckerchen­suchen und Geschicklichkeitsübungen sind zwar sinnvoll, da sie die Sinne des Hundes fordern und fördern, aber Sozialspiele sind das nicht, sondern Beschäftigungen.

Spiel macht Spaß!
Auf die Art des Spiels kommt es an. Forscher maßen bei Hunden vor und nach dem Spiel mit Menschen die Cortisolkonzentration im Blut: Nur bei entspanntem Spiel ohne Disziplinierungen, dafür mit Ermunterungen und zärtlichen Berührungen, nahm die Cortisolkonzentration ab. Cortisol wird auch als Stresshormon bezeichnet und in aggressiv-aufgeheizten Situationen ausgeschüttet, vor allem aber dann, wenn eine Situation unkontrollierbar oder unklar erscheint. „Spiel ist Spaß und Spaß ist eine sich selbst belohnende Handlung", schreibt Marc Bekoff, aber eben nur das „ursprüngliche" Spiel, fern von Wettbewerb und Monotonie. Also das Sozialspiel: Bei Menschen konnte nachgewiesen werden, dass Kooperation mit ­anderen im Gehirn das Zentrum für Freude aktiviert.

Spielen als Vorbereitung aufs Leben
Lernen geht leichter, wenn man Spaß dabei hat, das gilt auch für unsere Vierbeiner: Im Spiel lernen sie uns Menschen genauer und unmittelbarer kennen. Sie lernen, auf uns zu achten und einzugehen. Missverständnisse müssen vermieden werden, damit das Spiel weitergeht. Für den, der seinen Menschen heftig anrempelt, ist das Spiel zu Ende. Quasi nebenbei wird gelernt: Ganz ohne Regeln geht es nicht.

Spiel fördert das soziale Miteinander. Flexibilität im Spiel, Neugier, An­passungsfähigkeit und die Bereitschaft zu Kooperation sowie Achtsamkeit bereiten auf das ­echte Leben vor. Hunde, die ausgiebig mit ihren ­Menschen spielen dürfen, kommen mit den Anforderungen der ­menschlichen Umwelt besser klar. Spiel hilft ­generell, mit Frust besser umzugehen, ein besseres Problem­löseverhalten an den Tag zu legen, sich anzupassen und ­Selbstvertrauen zu entwickeln. Kooperation und Fairness werden in keinem anderen Lebensbereich so unmittelbar erlernt wie im Sozialspiel.

Spiel schafft Bindung
Bei Mensch und Hund wird während des gemeinsamen Zusammenseins ein ganz wichtiges Hormon ausgeschüttet: das Oxytocin, das auch als „Bindungshormon" bekannt ist. Und wenn man sich in der Nähe eines Lebewesens wohl fühlt, ist man auch gerne bei ihm – nicht nur während des Spiels, sondern in allen Lebenslagen. Dabei geht es nicht um eine Bindung im Sinne einer Abhängigkeit: Vierbeiner, die ausgiebig mit Menschen spielen dürfen, kommen sogar besser mit einer kurzzeitigen Trennung zurecht. Kein Wunder: Während des Spiels erfahren Hunde die Verlässlichkeit des Sozialpartners Mensch. Sie erlernen eine gesunde Neugier und erleben auch kurze Momente des Frusts: all das verhindert in den meisten Fällen das Entstehen von Trennungsängsten (s. auch Artikel der Autorin in WUFF 9/2012). Außerdem merken Hunde während des Spiels, dass es ihr Verhalten ist, mit dem sie eine Situation beeinflussen können. Dies macht sie insgesamt selbstsicherer und gelassener, ja optimistischer, was der Beziehung Mensch-Hund nur gut tun kann.

Mut zum Sozialspiel!
Wie fühlen Sie sich, während Sie mit Ihrem Hund über die Wiese toben? Stellt sich nicht so etwas wie ­kindliche Unbeschwertheit ein? Lernen Sie nicht dadurch auch Ihren Hund ein Stück weit mehr kennen, vor allem fernab von Unterordnung, Gehorsam und gesellschaftlichen Zwängen? Ist es nicht wunderbar, den Vierbeiner ­fröhlich zu erleben, ihn zu berühren?

Nach allem, was derzeit bekannt ist, muss nicht nur das Spiel von ­Hunden untereinander gepflegt werden, sondern vor allem das Spiel zwischen Mensch und Hund. Hunde erleben uns in einem anderen Kontext, nämlich losgelöst vom Alltagseinerlei, und in einer anderen Gestimmtheit, denn im Spiel sind wir ausgelassen, fröhlich und nur auf den Hund bezogen. Hunde dürfen das Spiel initiieren (und wenn uns danach ist, machen wir mit), ja sogar „gewinnen". Wir verlieren dabei nicht unsere Autorität. Im Gegenteil! Und wir gewinnen die Zuneigung und das Vertrauen unserer Hunde.

WUFF-INFORMATION

Hinweise für die Praxis

  • Fragen Sie zur Einschätzung Ihres Hundes zur Sicherheit einen erfahrenen Hundetrainer.
  • Beachten Sie, dass uns Hunde mitunter körperlich überlegen sind.
  • Lassen Sie bitte Kinder niemals unbeaufsichtigt mit Hunden ­spielen.
  • Unterbrechen Sie das Spiel, wenn Ihr Hund grob spielt oder einen zu hohen Erregungslevel erreicht hat.
  • Zwingen Sie weder sich noch den Hund zum Sozialspiel.
  • Literaturtipp: Patricia McConnell und Karen B. London, Spielend Freunde werden. Kynos Verlag Nerdlen/Daun,²2011.

AUS EIGENER ERFAHRUNG

Was ist Spiel?

Der niederländische Kulturanthropologe Johan Huizinga schreibt 1938 in seinem Werk „Homo ludens": „Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des ‚Andersseins‘ als das ‚gewöhnliche Leben‘."

Gilt diese Definition auch für unsere Haushunde? Marc Bekoff hat sich eingehend mit dem Spiel unserer Vierbeiner beschäftigt und betont neben den genannten Aspekten unter anderem noch Kreativität, Freiheit, Einigkeit, Flexibilität und Synchronie. Besonders wichtig sind jedoch Kooperation und Fairness, ohne die kein Spiel (dauerhaft) funktioniert.

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