Wenn Gwendolin zur Schule geht

Von Iris Strassmann

Sie meinen, das gäbe es nicht? – Doch, das gibt es wirklich! Mitten in Schleswig-Holstein, dem nördlichsten Bundesland Deutschlands, wo alles noch ein wenig ländlich und geruhsam zugeht, gibt es viele Schweine. Die meisten werden leider aufgegessen, aber zum Glück nicht alle! Und ein solches „Glücksschwein" ist die kleine Gwendolin, die sich fröhlich bei ihrem Frauchen tummeln darf – ganz artgerecht – in der Wohnung und im Freien, wie ein „richtiges" Schwein! Frauchen hat sich nämlich wegen ihrer Allergie keinen Hund angeschafft, sondern ein echtes Minischwein, von denen es inzwischen auch in Deutschland und Österreich schon eine ganze Menge gibt. Gwendolin ist schlau – wie alle Schweine! Und was liegt da näher, als sie zur Schule zu schicken? Aber wo gibt es eine „Schweineschule"? Nie davon gehört! Also hoffnungslos?

Glücksschwein
Doch Gwendolin hat Glück! Da gibt es einen ganz erfahrenen Hundetrainer im schönen Mühbrook, mitten im ländlichen Raum: Herrn Ernst Hoff. Und der hat auch ein Herz für Schweine, denn Schweine sind ganz liebenswerte Tiere. Und er hat ein Herz für Menschen. Und so macht er sich „schlau", wälzt Bücher, schaut im Internet auf den unzähligen „Schweineseiten" nach, fragt Tierärzte und viele andere Schweinefans, auch die Bauern der Umgebung, und wagt den Sprung ins kalte Wasser: Gwendolin darf in seine Schule gehen, zunächst einmal probeweise. Denn man weiß ja nie, ob so ein kleines Schweinchen dem „Schulstress" gewachsen ist, leiden doch sogar schon die Menschenkinder unter Frust und allerlei Beschwerden. Ja, aber wohin denn nun mit der neuen Schülerin? Ja richtig! Sie haben es erraten: in die Welpenstunde! Einzelunterricht soll’s nämlich nicht sein, denn Schweine sind gesellige Tiere. Und ist Gwendolin auch ein Winzling, so ist sie doch ein echtes Schwein, für das sogar die ganz strengen Richtlinien der „landwirtschaftlichen Schweinehaltung" gelten – mit Eintragung in Register und Ohrmarken und Seuchengesetz und was es da so alles gibt!

Und so kommt der große Tag der Einschulung! Einer nach dem Anderen trudelt in der Hundeschule ein. Man kennt sich schon und beginnt sogleich ein lustiges Spielchen! Und schon herrscht ein munteres Treiben, denn bevor der „Ernst" beim Ernst beginnt, wird zunächst einmal getobt, um die überschüssigen Energien abzubauen.

Gwendolins großer Auftritt
Nanu! Was ist denn das? Da kommt ja ein komischer Hund! Ein bisschen rundlich, merkwürdiges Fell, lustige Nase und putzige Töne! – Gwendolin! Im Nu wenden sich alle Blicke und Nasen dem kleinen Neuling zu! Oh, wie werden da die Hundeaugen groß und immer größer. Wer’s kann, spitzt seine Ohren! Höchste Spannung! Alle schauen auf die kleine Schweinedame, die sich ihres großen Auftrittes sehr wohl bewusst ist und auch keinerlei Minderwertigkeitskomplexe zu haben scheint! Aber: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, und so hält Gwendolin brav still und lässt sich geduldig beschnuppern, als ein Welpe nach dem anderen behutsam den Kontakt sucht.Auch Gwendolin streckt ihr kleines Näschen den Hundchen entgegen!Schneller als erwartet ist „die Neue" akzeptiert, und man kann zur Tagesordnung übergehen. Unter der behutsamen Anleitung von Hunde- und nun auch Tier-Trainer Ernst Hoff lernt die bunte Schülerschar die ersten wichtigen Übungen, die so ein Begleithund oder Gesellschaftsschwein „drauf" haben sollte, um sich zivilisiert in der Öffentlichkeit zu benehmen!

Denn genau wie junge Hunde hat auch ein unternehmungslustiges Schweinchen so allerlei Unfug im Kopf und kommt auf die putzigsten Ideen! Das heißt – putzig fürs Schweinchen, wenn es z.B. mitten in der Wohnung einer seiner Lieblingsbeschäftigungen nachgehen will – dem Wühlen! Dabei kann dann schon die teure Auslegeware Schaden nehmen oder das schöne Sofa eine tiefe „Kuhle" bekommen! Also muss das Schweinchen ins Freie! Und da ist es dann sehr praktisch, wenn es brav an der Leine im Brustgeschirr von einem Ort zum anderen geht und auf Zuruf kommt, jedenfalls meistens! Schweinchen haben ihren eigenen Kopf, und „Schweinefangen" ist nicht einfach, weil auch die Minis sehr schnell und wendig sind und blitzschnell entwischen können! Also ist Vorbeugen angesagt!

Fazit
Und so geht nun Gwendolin regelmäßig in die Hundeschule von Herrn Ernst Hoff, der sogar einen überdachten Freilauf für die inzwischen neu angemeldeten Minischweinchen der Umgebung gebaut hat. Dieses Experiment ist geglückt, vor allem, weil es sich hier um artgerecht gehaltene Minischweine handelt, die den größten Teil des Tages im Freien leben, wo sie wühlen und sich suhlen können, also richtige Schweine sein dürfen im allerbesten Sinn des Wortes.Eine Nachahmung kann nur bedingt empfohlen werden, denn es darf einfach nicht sein, dass man – einem Modetrend folgend – die erfrischend munteren und liebenswerten Minischweinchen dem menschlichen Trend zum Außergewöhnlichen opfert!

WUFF fordert: Minischweine nur nach gründlicher Information über diese sensiblen Tiere anschaffen, wenn absolut artgerechte Haltung garantiert ist, mögen auch geldgierige „Schweinezüchter" ihnen das Minischwein als den idealen Hunde- oder Katzen-Ersatz für Allergiker anbieten! Und verschenken Sie bitte niemals ein Schweinchen ohne vorherige gründliche Abklärung! Es ist schon schlimm genug, dass die „Normalschweine" – trotz Tierschutzgesetz – so oft ein trauriges Dasein fristen.

Freuen Sie sich über Gwendolins fröhliche Welpenstunde, denn Gwendolin ist ein echtes Glücksschwein mit garantierter artgerechter Haltung, das von Herrn Hoff behutsam trainiert wird, ohne es zu überfordern.

>>> WUFF – INFORMATION

Minischweine als Hunde-Ersatz?

Im Laufe unserer Recherchen zu diesem Artikel mussten wir leider feststellen, dass die Haltung von Minischweinen zu einem Modetrend mit all‘ seinen negativen Begleiterscheinungen zu werden droht – zu Lasten der liebenswerten und sehr sensiblen Tiere! Und diesem verhängnisvollen Trend wollen wir mit unserem Beitrag entgegen wirken. Gwendolin ist eine Ausnahme, ein „Glücksschwein", da sie artgerecht gehalten wird und dort bei Mühbrook die „Schweine-Welt" noch in Ordnung ist. Nicht aber so z.B. in Wien, wo ein Minischweinchen direkt aus dem Hochhaus ins Tierheim kam. Leider gestatten Mietverträge mit erlaubter Tierhaltung auch ein Schweinchen in der Wohnung!
Da es viele Hunde schon nicht gut getroffen haben (siehe auch Artikel „… und tschüss!" S. 10), muss es nicht auch noch den Minischweinen so ergehen, dass man ihrer schnell überdrüssig wird und sie entsorgt! Genau wie vor der Anschaffung eines Hundes oder einer Katze ist gründliches Überlegen und Informieren angesagt!

Artgerechte Haltung von Minischweinen
Wir danken besonders Herrn Dr. Thomas Bauer, Referent im Bereich Tierschutz im Ministerium für Umwelt, Natur und Forsten des Landes Schleswig-Holstein, der uns bereitwillig bei unseren Recherchen geholfen hat. Grundlage für die Haltung von Minischweinen ist das Tierschutzgesetz. Danach muss ein Tier „seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernährt, gepflegt und verhaltensgerecht untergebracht werden." Es muss sich artgemäß bewegen können, so dass ihm keine Schmerzen oder „vermeidbare Leiden oder Schäden" entstehen. Vom Tierhalter werden „befriedigende Kenntnisse und Fähigkeiten zur angemessenen Ernährung, Pflege und verhaltensgerechten Unterbringung" verlangt.

Die geselligen, bewegungsaktiven Tiere sollten nicht als Einzeltier gehalten werden. Die Haltung im Garten ist einer reinen Wohnungshaltung vorzuziehen, da sie dort auch wühlen können. Zur Beschäftigung kann man z.B. so genannte „Spielketten" mit befestigten Holzteilen und Scheuerbalken zur Verfügung stellen. Neben verschiedenen Funktions- und Lebensbereichen (Fress-, Ruhe- und Bewegungsbereich) sind auch ausreichende Rückzugsmöglichkeiten und weiche Liegeflächen anzubieten. „Da Schweine keine Schweißdrüsen haben, neigen sie bei hohen Temperaturen schnell zur Überhitzung des Körpers. Dies kann zu Kreislaufstörungen bis hin zum Kreislaufkollaps führen. Deshalb sollten Suhlen, Wasserbäder oder eine Berieselung zur Abkühlung angeboten werden. Außerdem besteht im Sommer, insbesondere bei hellen Tieren, die Gefahr eines Sonnenbrandes." Wichtig ist, dass Schweine keine „Resteverwerter" sind, sondern ausgewogenes, einwandfreies rohfaserhaltiges Futter erhalten und jederzeit freien Zugang zu hygienisch einwandfreiem Wasser haben.

Infos aus dem Landwirtschaftsministerium: Die Haltung von Minischweinen gleicht tierseuchenrechtlich weitgehend der Haltung anderer Schweine. Eine Minimalanforderung ist die Kennzeichnung mit der in der Viehverkehrsverordnung vorgesehenen Ohrmarke. Weiter besteht die Verpflichtung, das Tier beim Tierseuchenfonds zu melden. Ohne diese Meldung und die Meldung bei der zuständigen Veterinärbehörde darf auch ein Minischwein nicht gehalten werden. Wenn man sein Minischwein z.B. mit in den Urlaub nehmen möchte, so sind u.U. die Richtlinien für das „grenzüberschreitende Verbringen von Schweinen" zu beachten, über die man sich bei den vor Ort zuständigen Veterinärbehörden informieren kann.

Sie sehen, dass es viel zu bedenken gibt, wenn man sich ein Minischwein als Hausgenossen anschaffen möchte, gar nicht zu reden von der Tierhalterhaftung!

Weitere Informationen finden Sie im Buchhandel und im Internet unter:
www.minischwein.de
www.mini-schweinchen.de
www.minischweine-online.de
www.netzart.de/Zierschweine
www.minischweinchen.com

>>> WUFF – INFORMATION

Info: Minischwein am Hundeplatz

Ernst Hoff ist Hunde- und Tiertrainer in D- 24582 Mühbrook (Schleswig-Holstein).

Telefon: 0049-(0)4322-9618
www.hundeschule-muehbrook.de

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