SOS Rassehund: Zustimmung und Empörung – Die Replik des Autors

Von Lesermeinungen

Lob und Zustimmung, aber auch harte Kritik erntete in der ­vorigen WUFF-Ausgabe ­Alexander Däuber, der Autor
des Artikels „SOS ­Rassehund“ (in WUFF 7/2010). Zum Abschluss der Diskussion seine kurze ­Replik auf einige Vorwürfe.

In der Ausgabe WUFF 7/2010 berichtete der 1. Vorsitzende des Toller Clubs Deutschland (TCD), Alexander Däuber, in einem „SOS Rassehund“ betitelten Artikel über die nach seiner Meinung dramatische gesundheitliche Situation der Rasse Nova Scotia Duck Tolling Retriever (Toller) und begründete dies mit den Aussagen zahlreicher wissenschaftlicher Experten und den Ergebnissen von Studien. So ist die weltweite Tollerpopulation untereinander nach Aussage der finnischen Populations­genetikerin Katariina Mäki näher miteinander verwandt als Geschwister, was für das Erbgut letztlich eine Katastrophe darstelle. Däuber zitiert Wissenschaftler und Experten, für die der einzige Ausweg aus dieser „genetischen Katastrophe“ die Einkreuzung einer fremden Rasse darstelle. Dieser Artikel trug Däuber sowohl Lob und Zustimmung, als auch harsche Kritik ein, letztere vor allem aus den Reihen von Züchtern und Liebhabern des Tollers.

Welche Hunderasse einkreuzen?
Eine Toller-Liehaberin kritisierte die von Däuber diskutierte Einkreuzung. Welches Ergebnis solle eine solche Veredelungskreuzung bei einer geringen Anzahl von Hündinnen erbringen, und welche Hunderasse(n) sollte(n) denn eingekreuzt werden, lautete die kritische Frage.

A. Däuber: „Wichtig ist, dass durch das Einkreuzungsprojekt eine erste Initiative ergriffen wird. Auch eine (vorerst) begrenzte Zahl von Einkreuzungen ist auch nach Meinung von Wissenschaftlern besser, als den Toller weiter im ‘eigenen Saft’ braten zu lassen. Als Einkreuzungspartner ist viel mehr das Individuum als die Rasse von Bedeutung – es sollten möglichst ältere und vitale Hunde mit repräsentativer Zahl gesunder Nachzucht einbezogen werden.“

Ist der Verein nicht zu klein?
Ein anderer Vorwurf lautete, dass ein so kleiner Verein wie der TCD nicht über die Zukunft einer Rasse entscheiden könne, was nämlich so ein Einkreuzungsprojekt bedeuten würde. Auch würden die Zuchtverantwortlichen in Kanada – der Toller ist eine kanadische Hunderasse – die Befürchtungen des Tollervereins in Deutschland nicht teilen.

A. Däuber: „Vielleicht braucht es aber gerade einen solchen ‚kleinen‘, offen-modernen und kynologisch versierten Verein, um ein solches Projekt anzupacken. Zumindest hat sich der TCD auf die Flagge geschrieben, die ­wissenschaftlichen Empfehlungen in der Zuchtpraxis umzusetzen. Das ist leider nicht überall so: Es gibt FCI-anerkannte Tollervereine, in denen 5 Wurfwiederholungen stattfinden, in denen ein Rüde innerhalb von 2 Jahren 14 Hündinnen deckt, in denen Hündinnen bereits mit 13 Monaten in die Zucht gehen und in ihrem Leben 12 Würfe großziehen, in denen Halbgeschwisterverpaarungen erlaubt sind etc. etc. All’ das ist gut? Wohl gut für die Kasse, aber schlecht für die Rasse!“

Zwei Wissenschaftler anderer Ansicht (Bannasch und Wade) nicht berücksichtigt?
Die im Artikel „SOS Rassehund“ getroffenen Aussagen würden auf unvollständigen Forschungsergebnissen beruhen und gegenteilige Meinungen von Koryphäen im Bereich der Genetik, wie Dr. Bannasch von der Unviersität Californien und Prof. Wade von der Unversität Sydney, seien bewusst ausgeblendet worden, so die Kritik eines Toller-Züchters.

A. Däuber: „Dem TCD liegen mittler­weile über 20 Expertenmeinungen von renommierten Wissenschaftlern, Organisationen, Ministerien usw. vor. Vor allem wurden die zuständigen Fachbereiche und Wissenschaftler befragt, nämlich Populationsgenetiker und Evolutionsbiologen (die Statements und Gutachten finden Sie auf www.wuff.eu/toller). Zu den Wissen­schaftlern Wade und ­Bannasch: Beide sind Molekulargenetiker. Wade ist selbst Besitzerin eines Toller-­Champion-Rüden, Bannasch ist Tollerzüchterin und betreibt ‘Bannasch Laboratory’, wo Gentests angeboten werden. Und schon hat das Ganze für mich und befragte Wissenschaftler einen faden Beigeschmack. Das Gentest-Geschäft boomt wie nie zuvor – und es gibt viele, die an den erb­kranken Rassehunden gut verdienen.“

Wo sind die vielen angeblich ­kranken Toller?
Wo denn die vielen angeblich kranken Toller denn überhaupt seien, war der weitere Vorwurf eines Toller-Züchters. Die Toller seien hierzulande doch gesunde Hunde mit einer Lebens­erwartung im zweistelligen Bereich.

A. Däuber: „Mit diesen Aussagen verkaufen sich die ‚kleinen roten Hunde‘ natürlich viel besser! Und bei Welpenpreisen zwischen 1.000 bis 1.400 ¤ drücken manche Züchter mal ein Auge zu. Viele Züchter leiden an der sog. „Verschweigeritis“ – nach Ansicht von Experten generell ein ­großes Problem in der Rassehundezucht. Die offene und transparente Darstellung des TCD wurde mehrfach von Züchtern angegriffen, und es wurde sogar mit Klagen gedroht.“

Warum Einkreuzung statt Gentest?
Die internationale Tollercommunity sollte, anstatt mit Auskreuzungen einen Schuss ins Blaue zu ­riskieren, auf den in dieser Frage bald zu er­wartenden Durchbruch bei der Suche nach einem Genmarkertest setzen, so ein Tollerzüchter. Was sagt Alexander Däuber dazu?

A. Däuber: „DNA-Tests lösen nicht das Inzuchtproblem beim Toller. Im Gegenteil, durch die DNA-Tests würden weitere Hunde (die genetisch erkrankt sind) aus der Zucht fallen und der Genpool noch kleiner werden als er ohnehin schon ist. Im Auto­immunbereich gibt es beim Toller derzeit keinen einzigen Gentest, und es ist auch nicht absehbar, ob und wann einer entwickelt sein wird. Selbst wenn man einen Gentest für die Hirnhautentzündung (SRMA) hätte, was ist mit den übrigen schwerwiegenden Erkrankungen (Addison, SLE, immunbedingte rheumatische Arthritis etc.) und den bekannten Folgen der Inzuchtdepression?! Gentests dürfen nicht als Patentlösungen verstanden werden. Weitere Ausführung dazu siehe ­meinen Artikel in WUFF 7/2010“.

Toller ohne FCI-Papiere ­verwenden?
Was hält Däuber von dem Vorschlag einer Biologin, die vielen Tollerbesitzer, deren Hunde keine FCI-Papiere haben, in Hinblick auf eine genetische Auffrischung der FCI-Toller einzu­laden, ihre Hunde bei Schauen / Leistungstests der FCI-Verbände zu präsentieren? Das würde sinnvoller sein, als andere Rassen einzukreuzen, die unter Umständen auch andere Krankheiten mitbringen könnten.

A. Däuber: „Das ist ein begrüßenswerter Vorschlag! Populationsge­netiker befürworten dies ebenfalls! Im TCD können deswegen auch nicht-FCI-anerkannte Toller über eine ­Phänotypisierung in der Zucht eingesetzt werden. Leider ist das in den anderen Vereinen oft nicht möglich. Aus der Sackgasse können diese Toller aber auch nicht helfen, denn spätestens in 2. oder 3. Generation stammen sie von FCI-Tollern ab, haben also den gleichen Genpool.

Der Toller als Beispiel für die moderne Rassehundezucht?
Dass sich in der Diskussion über die Situation des Tollers (WUFF 10/2010) auch Züchter anderer Rassen zu Wort gemeldet haben und ein ähnliches Problem in ihrer jeweiligen Rasse sehen, zeigt, dass der Toller möglicherweise für einen generell notwendigen Wandel in der Hundezucht steht. So wie bisher dürfe man nicht mehr weitermachen, ist schon lange das Credo ausgewiesener Experten. Und dass dies aber offensichtlich auch schon im Ursprungsland der Hundezucht, in Großbritannien, so gesehen wird – wenngleich erst auf öffent­lichen Druck –, beweist die Aktion des British Kennel Clubs mit einem Aufruf an die Hundezüchter, Hunde zu züchten, die wieder „unbehindert laufen, sehen und atmen“ können sollen. Dass also offensichtlich die Hundezucht generell hoch reformbedürftig ist, dürfte damit nach Ansicht von Hunde­experten bewiesen sein.

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