Bürohunde – Kollege mit der kalten Schnauze

Von Sylke Schulte

 

In früheren Zeiten waren Hunde sehr oft ständige Begleiter des Menschen. Je ­moderner die Zeiten wurden, um so mehr wurden Hund und Halter bei ihrer ­Arbeit getrennt. Büroarbeit lässt sich oft nicht mit der Hundehaltung ­verein­baren. Doch was viele nicht wissen – Hunde im Büro können die Produktivität und ­Konzentration sogar steigern. Wo liegen die Vor- und Nachteile für Zwei- und ­Vierbeiner? Ein interessanter Artikel von Sylke Schulte.

Da verbringt der Mensch Jahrhunderte damit, Hunde für seine Zwecke und zur Erleichterung seiner Arbeit zu domestizieren und zu züchten, da wandelt sich in einem geschichtlichen Wimpernschlag die Arbeitswelt und die Menschen verbringen ihren Arbeitsalltag zum Großteil in Büros vor dem Computer. Und schon heißt es für Waldi, Fiffi und Co: Wir müssen zu Hause bleiben. Ihre Dienste sind nur noch bei den wenigsten Arbeitseinsätzen gefragt, und in unserer Gesellschaft wurden Hunde längst vom Kollegen zum besten Freund des Menschen befördert. Das heißt allerdings auch, dass viele Hunde tagsüber oft stundenlang geduldig auf Herrchen und Frauchen warten müssen. Hundepensionen, -sitter und –heime haben deshalb Hochkonjunktur, doch glücklicherweise hat sich in den letzten Jahren auch ein neuer Trend entwickelt: der Hund im Büro.

Für die meisten Hunde gibt es nichts Wichtigeres als möglichst Tag und Nacht bei ihrem menschlichen Rudel zu sein. Viel mehr erwartet der treue Partner Hund nicht von seinem Menschen und mehr und mehr Firmen und Chefs machen es möglich, dieses Bedürfnis der Vierbeiner zu erfüllen. Doch welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um den geliebten Hund mit ins Büro nehmen zu können? Wo liegen die Vor- und Nachteile für Zwei- und Vierbeiner?

Tierische Vorteile
Zunächst einmal sei gesagt: Arbeitnehmer haben in Deutschland keinen gesetzlichen oder tarifvertraglich geregelten Anspruch zur Mitnahme ihres Hundes – Ausnahmen gelten lediglich für Assistenzhunde, wie zum Beispiel den Blindenführhund. Markus Beyer, erster Vorsitzender des Bundesverbands Bürohund e.V., erklärt allerdings: „Studien belegen, dass der Hund im Büro nachweislich das Stressvolumen der Mitarbeiter senkt. Aus dem Präventionsgedanken greift aus unserer Sicht § 84 SGB IX, die gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers, chronischen Erkrankungen vorzubeugen. Nach § 5 ArbSchG sind psychische Belastungen dabei explizit ­einbezogen.“ Gibt es also Anlass zur Hoffnung auf eine baldige Gesetzesänderung? Fakt ist, dass sowohl Hund als auch Mensch soziale Lebewesen sind und aus Gesellschaft einen sozialen und psychologischen Nutzen ziehen. Soziale Vereinsamung führt bei Menschen wie auch Hunden zu schweren psychischen und in Folge zu körperlichen Erkrankungen. „Neben den grundsätzlichen Vorteilen bei der ­Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfällen, Fettstoffwechselstörungen, Übergewicht und Arteriosklerose durch vermehrte Bewegung wissen wir heute, dass die Begegnung Mensch-Hund bei beiden Wesen die Produktion des Hormons Oxytocin – einem Hormon, das mit psychischen Zuständen wie Liebe, Vertrauen und Ruhe in Zusammenhang gebracht wird – anregt“, spezifiziert Beyer.

Es gibt also nicht von der Hand zu ­weisende Vorteile, welche die bloße Anwesenheit eines Hundes im Büro mit sich bringen kann. Die Interaktion mit einem Hund – selbst während der Arbeitszeit, vermindert demnach das Risiko für psychische, aber auch ­körperliche Erkrankungen, die Verbreitung von modernen Zivilisationskrankheiten wie „Burn-Out“ oder Depressionen. Weitere Studien weisen darauf hin, dass Bürohunde das Sozialverhalten am Arbeitsplatz verbessern und sogar die Kreativität steigern können. Wie bringt unser pelziger Vierbeiner all dies fertig? Die Antwort ist einfach: Ein Hund im Büro sorgt nicht nur bei Herrchen oder Frauchen zwangsläufig für soziale Interaktionen – ob man nun mit ihm direkt oder nur über ihn spricht. Außerdem bietet der Hund willkommene Abwechslung und die Notwendigkeit für (kreative) Pausen, bei denen Arbeitnehmern geistige und körperliche Auslastung garantiert wird. Nach einem kurzen „Pinkelpäuschen“ an der frischen Luft bieten sich am Computer oft völlig neue, zuvor unbemerkte Ideen und Lösungen an. Frustrationen, Hemmungen oder Blockaden können durch diese kurzen Pausen, die der Hund einfordert, gelöst werden und die Arbeit geht plötzlich viel einfacher von der Hand.

Tierische Vorurteile
Wenn der Hund im Büro so viele Vorteile mit sich bringt, warum finden sich die Fellnasen nicht in jedem deutschen Büro? Viele Vorgesetzte, aber auch Kollegen, werden immer noch von den verschiedensten Zweifeln geplagt, wenn es um die Zulassung eines vierbeinigen Kollegen geht. Während einige Gründe für eine Entscheidung gegen Bürohunde durchaus berechtigt sind, können die meisten schnell und schmerzlos aus der Welt geräumt werden.

Die größte Angst aller Chefs lässt sich ungefähr so zusammenfassen: Ein Hund bringt zu viel Ablenkung ins Büro und niemand macht mehr seine Arbeit! ­Dieses Argument lässt sich laut Beyer leicht widerlegen: „Die meisten Hundehalter sehen es als Privileg an, ihren Hund mit ins Büro bringen zu dürfen, und tun alles, um dieses nicht zu verlieren. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich viele Hundehalter motiviert sehen und mit aller Macht versuchen, die Ablenkung durch den Hund für sich und andere auf ein Minimum zu reduzieren.“ Doch machen wir uns nichts vor: Ein Hund im Büro bedeutet Unterbrechungen bei der Arbeit. Diese Unterbrechungen können allerdings auch anders bewertet werden. Kurze Pausen fördern die Kreativität, senken den Stresslevel und helfen bei Problembewältigung. Hunde können uns im stressigen Arbeitsalltag wieder „erden“.

Immer wieder wird in der Diskussion auch die Frage auf den Tisch gebracht: Was ist mit ängstlichen Kollegen oder Allergikern? Auch wenn es Hinweise darauf gibt, dass die Anzahl der tatsächlichen Allergiker in Deutschland weit unter der bisher angenommenen Zahl liegt – bei vielen „Allergien“ handelt es sich lediglich um eine „Sensibilisierung“ – muss auf Allergiker natürlich Rücksicht genommen werden. Wenn es um Ängste geht, bringt Beyer es klar auf den Punkt: „Ängste – egal vor was oder wem – schränken Menschen ein, und viele Menschen sind durchaus nicht abgeneigt, sich kontrolliert von diesen Ängsten zu verabschieden, um ihre Lebensqualität zu steigern. Wir hören immer wieder Geschichten von Menschen mit Angst vor Hunden, die den Bürohund Schritt für Schritt in ihr Herz geschlossen haben und so letztendlich von ihrer Angst befreit wurden.“

Auch andere Ängste und Vorurteile ­lassen sich oftmals leicht ­überwinden – der Dialog mit Vorgesetzten und ­Kollegen ist dabei sehr wichtig. ­Niemand sollte sich bei einer Entscheidung übergangen fühlen, und alle auf­tauchenden Fragen müssen offen ­diskutiert werden. Klare Regeln lassen sich auch durch einen eigens aufgesetzten Rahmenvertrag schaffen, in dem zum Beispiel festgelegt wird, wo der Hund sich aufhalten darf, wer für eventuelle Schäden aufkommt und so weiter.

Aus tierischer Sicht
Auch wenn der Hund am liebsten rund um die Uhr an unserer Seite wäre: ­Einige Arbeitsumgebungen sind schlichtweg ungeeignet für Hunde, dazu zählen Fabriken und Produktions­stätten und Umgebungen, in denen mit giftigen oder gefährlichen Materialien gearbeitet wird oder eine ständige ­Lärmbelästigung herrscht. Auch das Büro kann die ein oder andere Gefahr für Vierbeiner bereithalten, wie zum Beispiel stromführende Kabel, giftige Pflanzen oder Emissionen von Büro­geräten wie Kopierern.

Natürlich sollte die Sicherheit von Mensch und Hund immer an erster Stelle stehen. Ist diese ­gewährleistet, müssen auch weitere ­Bedürfnisse ­berücksichtigt werden. Neben ­ständigem Zugang zu frischem Trinkwasser ist auch im Büro ein Rückzugsort für den Hund von Nöten. Dieser Platz sollte gemütlich und geschützt sein und von allen ­Kollegen respektiert ­werden. ­Tierärztin für Verhaltenstherapie Dr. Hildegard Jung erklärt: „Viel Parteien­verkehr ist nicht für alle Hunde geeignet, sie brauchen viel Ruhezeiten, die sie insbesondere dann nicht ­bekommen, wenn sie sich in der Pflicht sehen, Wache halten zu müssen. Außerdem braucht ein Hund Beschäftigungs­pausen (Spiele, Verstecken) und natürlich muss zwischenzeitiges „Gassigehen“ möglich sein.“

Probleme und Stress für Mensch und Hund können auch aufkommen, wenn der Hund schlecht erzogen oder nicht sozialisiert wurde. So weiß Dr. Jung zu berichten: „Eines der häufigsten Probleme in der Praxis ist, dass ­Hunde Kunden, manchmal auch Kollegen, verbellen.“ Und auch Beyer weist darauf hin: „Der Mensch ist der verantwortliche Partner im Mensch-Hund-Team und muss aus Sicht des Hundes die Situationskompetenz haben. Sollte der Hund der Überzeugung sein, dass dem so nicht ist, übernimmt er in der Regel selbst die Abgrenzung seines Familienverbundes nach außen.“ Derlei Probleme sind aber selten nur auf das Büro beschränkt, sondern eher von grundsätzlicher Natur. Hier kann ein Hundetrainer oder Verhaltenstherapeut Abhilfe schaffen und für ein ruhiges und entspanntes Miteinander in und außerhalb der Arbeitsstätte sorgen.

Grundsätzlich spricht also nicht vieles gegen vier (oder mehr) Pfoten am Arbeitsplatz. Neben den zahlreichen Vorteilen für die physische und psychische Gesundheit des Menschen und dem damit verbundenen Nutzen des Arbeitgebers profitiert auch der Hund von der ständigen Nähe zu seinem familiären Kompetenzträger, dem Rudelführer – um in der Businesssprache zu bleiben, damit es auch alle Manager verstehen: es handelt sich also um eine klassische „Win-win-Situation“.

Zum Weiterlesen: Rechtliche Aspekte (DE) zum Thema Hund am Arbeitsplatz

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