Auf und davon … – Die Rolle des Hundes in der Partnerschaft

Von Ana Hesse

Paul der Beagle ist Papas Liebling. Trotz gemeinsamen Haushalts gehört Beagle Paul dem Herrchen und Frauchen spielt nur eine untergeordnete Rolle. Doch Herrchen erkrankt plötzlich schwer und muss ins Krankenhaus. Wie wird Beagle Paul das aufnehmen und wie wird Frauchen mit der neuen ­Situation fertig? Mit dieser wahren Geschichte war Ana Hesse, Betreiberin der Hundeschule „Kids & Dogs Schaumburg" konfrontiert. Rechtzeitig an Dinge denken, die man lieber verdrängt – darum geht es in dieser Geschichte.

Nicht immer sind beide ­Partner gleichauf begeistert vom ­„Partner Hund". Oft ist es sogar so, dass nur einer den Hund möchte und der andere es hinnimmt und mitträgt. Wenn dann aber der Partner erkrankt oder verstirbt, hat das nicht selten Konsequenzen für den zurückgebliebenen Hund. Paul, ein neunjähriger reinrassiger Beagle, hatte keinen schönen Start ins Hundeleben. Obwohl er ein unbeschreiblich schöner Rüde ist, wird er erst spät beim Züchter entdeckt und mitgenommen. Nach vier Jahren stellen die Ersthalter fest, dass Paul ihnen zu viel ist, und er wechselt zu seinen neuen Menschen. Hier lebt er fünf Jahre bei einem älteren Ehepaar. Herrchen ist pensioniert und zu Hause, hat den Jagdschein und Paul ist sein ständiger Begleiter. Immer dabei, hat Paul nie gelernt alleine zu sein und bellt entsprechend viel und anhaltend, wenn er es denn doch mal sein muss. Also lassen sie Paul nie alleine, damit sich die Nachbarn nicht beschweren und Paul nicht leidet. Man arrangiert sich und im Grunde ist alles gut.

Alles ändert sich
Doch dann wird Pauls Herrchen sehr schwer krank. Er kommt in eine Klinik der Landeshauptstadt. Die Fahrt dahin dauert jedes Mal eine Stunde. Frauchen, das noch arbeitet, hat nun plötzlich ein Problem – und Paul auch. Weil der Rüde nicht alleine bleiben kann, muss er nun immer mit. Er verbringt die nächsten Wochen mehr oder weniger in der Gitterbox im Auto. Hier ist er friedlich, schläft die meiste Zeit und bellt nicht. Aber Frauchen hat Not. Sie muss zwischen ihren Arbeitseinsätzen immer wieder raus, mit Paul eine Runde drehen, ihm Wasser geben und sich kümmern. Solange es nicht zu warm ist, geht das. Nun kommt aber das Frühjahr, das dem Sommer gleicht, und für Paul wird es langsam zu warm im Auto. Und ihr wird es auf Dauer auch zu stressig.

Dem Rüden ist inzwischen klar geworden, dass Herrchen offenbar nicht mehr wiederkommt, und Frauchen ist einfach anders. Mit ihr hatte er sonst selten zu tun. Mal eine Runde um den Block, aber mehr auch nicht. Paul fängt an, an der Leine zu ziehen, so sehr, dass sie ihn oft kaum noch halten kann. Und dann fängt er plötzlich an im Haus zu markieren. Das mag Frauchen überhaupt nicht. Neben dem ganzen täglichen Stress muss sie nun seine Urinmarken saubermachen, doch es nützt nicht viel. Paul macht es immer wieder…

Paul muss weg
Herrchen liegt wochenlang auf der Intensivstation. Auch als er endlich wieder ansprechbar ist, weiß niemand, ob er das Krankenhaus jemals verlassen wird und wenn ja, in welchem Zustand. Für Frauchen kommt diese Erkenntnis wie ein Blitzeinschlag. Und auch ihr Entschluss: Paul muss weg! Sie kann nicht mehr und sie will nicht mehr. ­Zwischen Arbeit und den Fahrten ins Krankenhaus immer wieder Paul aus dem Auto, ins Auto usw. Oft fällt Paul auch rückwärts wieder runter, weil er den Eingang in die Box nicht immer beim ersten Sprung trifft, und Frauchen ist nicht stark genug ihn zu heben.

Und nun muss es schnell gehen. Es wird eine Anzeige geschaltet, und der Erste, der sich meldet, scheint nett zu sein und bekommt Paul samt seinen Sachen. Gleich. Sofort noch nach dem ersten Kennenlernen. Ein wenig schnell, finde ich, aber gut. Es ist eine besondere Situation, und Überforderung treibt Menschen oft zu übereilten Handlungen. Die junge Frau macht einen guten Eindruck, hat ein kleines Kind, und der letzte Hund starb vor einem Jahr. Ein Terrier. Sie scheint Ahnung zu haben und freut sich über Paul. Der erste Tag und die erste Nacht verlaufen ruhig. Paul ist ein toller Kumpel für den kleinen Jungen der Familie. Gelassen, ruhig und freundlich. Doch am zweiten Tag stellt Paul nun fest, dass Frauchen offenbar nicht mehr kommt. Er fängt an zu Jaulen und dauerhaft zu bellen. Der kleine Sohn versucht Paul zu trösten, doch das Gebell macht ihm Angst. Nach drei Tagen muss Paul wieder fort. Er kommt direkt weiter an eine andere Interessentin, die sehr traurig darüber war, dass sie beim ersten Mal keine Chance bekommen hatte, Paul kennen zu lernen. Sie ist glücklich darüber, nun Paul zu bekommen. Und auch hier zeigt sich Paul den ersten Tag und die erste Nacht friedlich – und dann stellt er auch da fest, dass Frauchen nicht mehr zurückkommt, und bellt und jault …

Ich lasse diese Geschichte Revue ­passieren. Sie geht mir sehr nah, denn ich kenne Paul und habe ihn ein paarmal mitgenommen, wenn Frauchen keine Zeit hatte. Ich überlege, wie es bei uns wäre, wenn ich erkranke, und spreche meinen Mann darauf an. Er ist völlig entsetzt darüber, dass ich mir solche Gedanken mache. Aber diese Gedanken sind wichtig, denn ich weiß, dass auch er gut ohne Hund leben kann. Ich bin es, die es nicht kann. Er versichert mir, dass unsere Hündin und alle Hunde, die noch dazu oder danach kommen, in der Familie bleiben und niemals wegge­geben werden. Sie gehören zur Familie, vor allem dann, wenn mir was passieren sollte. Ich bin erleichtert. Aber selbstverständlich ist es nicht! Es sollte in der Partnerschaft ein Thema sein – auch wenn wir uns alle nicht vorstellen können oder wollen, dass es Situationen im Leben gibt, die wir selbst nicht ­kontrollieren können. Krankheit oder Tod. Es sollte ein Thema sein, darüber nachzudenken, was mit dem Hund / den Hunden passiert, wenn man sich selbst nicht mehr darum kümmern kann. Bleibt der Hund in der Familie? Gibt es jemanden, der ihn nehmen kann? Und wenn nicht, nehme ich mir die Zeit, neue Menschen für den Hund sorgfältig auszuwählen, damit der ehemalige Partner meines Partners nicht zu einem Wanderpokal wird.

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