Großtierarzt aus Leidenschaft

Von Andrea Specht

Franz Josef Jäger ist ein erdverbundener Mensch. Bei ihm daheim auf der großen Terasse mit Blick ins weite Talbecken fühlt er sich wohl. Gegenüber steht das alte Elternhaus, daneben weiden friedlich ein paar Kühe. Und ein paar Meter weiter liegt die Pension, die Jägers Mutter führt. Seit mehr als 300 Jahren gibt es die „Jägers" in Ried im Zillertal. Nur Frau Jäger stammt eigentlich aus Bayern, eine Art „Blutauffrischung" für die Tiroler, wie er es nennt. Hier lebt er gerne, nimmt am dörflichen Leben teil und freut sich jedes Jahr auf das große Fest, bei dem alle Vereine der Umgebung mitmachen. Und hier hat er vor 30 Jahren, am 4. Oktober 1972, am Tag seines Namenspatrons Franz von Assisi, die Großtierpraxis eröffnet.

Tierarzt mit Herz
Dass es die Großtierpraktiker heute nicht leicht haben, dass kaum noch einer seine Zukunft dort sieht, stimmt ihn traurig. Doch die Gründe versteht er auch. „Es hat sich vieles verändert. Der Großtierarzt wird immer mehr ins Abseits gedrängt. Der Preisverfall bei den Bauern und deren Degradierung zu Landschaftsgärtnern machen auch den Tierarzt immer mehr zum Kostenfaktor. Jetzt wird gerade darüber geredet, ob nicht auch die Besamung künftig durch eigene Besamungstechniker der Konzerne ersetzt werden soll. Dabei wird übersehen, dass der Tierarzt bei einer solchen Visite gleich vieles Andere miterledigt. Heute muss man eine gutgehende Kleintierpraxis haben, um sich die Großtierordination noch leisten zu können."
Die Großtierpraxis liegt ihm am Herzen. Das spürt man im Gespräch. Natürlich ist es oft mühsam, gesteht er zu, die ständige Verfügbarkeit rund um die Uhr, die nächtlichen Fahrten bei jedem Wetter, wenn irgendwo eine Kuh kalbt, das Stapfen durch den Schnee zu einem abgelegenen Gehöft. Aber da ist eben etwas Wichtigeres als nur das Geld. Es ist die Anerkennung, die jeder braucht, sogar ein Hund. Und auch die Bauern. Die liegen ihm genauso am Herzen.
„Es schmerzt sie, vor allem die Tiroler Bauern, wenn ihre Produkte nichts mehr wert sind. Viele von ihnen versuchen halt jetzt den Fremdenverkehr für sich zu nutzen, indem sie Heustadel für Touristen herrichten und als Sommerbleibe vermieten." So wie das Herrl von Bordercollie Florian, den wir auf seinem hochgelegenen Gehöft besucht haben. Florian treibt die Kühe zusammen, wunderschöne übrigens, wie man sie kaum noch sieht. Im Winter hütet Florian notgedrungen die Hühner, gelegentlich die Hauskatze oder den Nachbarshund Wolfi.

Für Bundestierschutzgesetz
Den oft zitierten Gegensatz zwischen Bauernschaft und Tierschutz sieht Jäger nicht. „Man muss die Bauern verstehen und mit ihnen reden." Ebensowenig kann er einen Widerspruch zwischen einem bundeseinheitlichen Tierschutzgesetz und den Anliegen des Bauernstandes erkennen. „Ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz wäre ungemein wichtig. Es scheiterte leider bisher daran, dass die ÖVP erfolgreich mauert. Dabei wäre es für die Bauern keine Verschlechterung. Es geht eher um Kompetenzfragen der Länder." Ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz wäre für Jäger ebenso notwendig, um ein generelles Chippen von Hunden durchzusetzen. Von Seiten der Tierärzteschaft lag bereits ein fertiges Programm auf dem Tisch, das ein Ablesen der registrierten Nummern einfach und rund um die Uhr ermöglicht hätte.

Gegen Pauschalverbote bei Hundegesetzen
Überzogen hält Jäger allerdings die hysterischen Reaktionen zum Thema Hundehaltung an sich. Die Diskussionen über „Hundeverordnungen" bringt der Kammerpräsident auf einen einfachen Nenner: „Das Problem ist nie der Hund, sondern das ist am anderen Ende der Leine zu suchen. Deshalb halte ich nichts von Rasseverboten, Zentimetervorschriften und Pauschaleinschränkungen." Positiv betrachtet Franz Josef Jäger dagegen die Tierschutzentwicklungen innerhalb der Tierärzteschaft. „Vor allem bei den jüngeren Kollegen ist es zu einem Paradigmenwechsel gekommen. Es gibt jetzt einen Fachtierarzt für Tierschutz. Das finde ich gut. Wir sollen ja als Tierärzte dazu beitragen, dass der Umgang mit Tieren auch tiergerecht ist. In Tirol haben wir beispielsweise schon 1987 ein Verbot der Batteriehaltung von Hühnern gefordert."

Partner Tierschutzheim
Als wichtigste Partner im Tierschutz sieht der Kammerpräsident die Arbeit der Österreichischen Tierschutzheime. „Diese Institutionen leisten enorm viel, zum Großteil auf ehrenamtlicher Basis und kaum von öffentlicher Hand gefördert. Tierheime übernehmen freiwillig Aufgaben, die ja der Staat übernehmen müsste, wie etwa die Versorgung von herrenlosen Tieren. Deshalb muss der Staat die Tierheime endlich dementsprechend unterstützen und erhalten. Das ist mir ein ganz wichtiges Anliegen."

Pendler Tirol – Wien
Zum Präsidenten der Österreichischen Tierärzteschaft ist Franz-Josef Jäger bereits das vierte Mal in Folge gewählt worden. Die Frage, ob es an seiner großen Beliebtheit liegt, kommentiert er auf seine eigene Art: „Vielleicht ist denen einfach nichts anderes übriggeblieben." Seine Funktion macht ihm Spaß, auch wenn er dafür zum ÖBB-Pendler wird. Einmal pro Woche fährt er nach Wien und mit dem Nachtzug gleich wieder heim nach Tirol. Ob er nochmals Tierarzt werden würde? „Auf jeden Fall. Obwohl, heute sind die Studenten viel zu brav. Wir haben uns nichts gefallen lassen und sind gleich zu den Professoren marschiert." Trotzdem ist Franz-Josef Jäger froh, dass seine Tochter nicht in seine Fußstapfen tritt. „Die hat Gott sei Dank Jus studiert."

Das könnte Sie auch interessieren: