Viktor muss sterben

Von Andrea Specht

Gemeinsam mit einer Berner Sennenhündin lebte der freundliche Rüde bei einer Familie im 5. Wiener Gemeindebezirk. Keinerlei Auffälligkeiten in all den Jahren. Viktor war ein guter Hund. Im Stiegenhaus wurde er gestreichelt wie jeder seiner Artgenossen auch – bis es losging mit der Medienhatz. Jetzt plötzlich änderte sich alles. Jeder Spaziergang wandelte sich zum Spießrutenlauf zwischen wüsten Beschimpfungen und Anpöbeleien. Killerhund, Kampfmaschine, Bestie zischten plötzlich jene, die bis vor wenigen Wochen noch keinen Pudel von einem Boxer unterscheiden konnten und sogar die Nachbarn hielten argwöhnisch Distanz. Viktor war noch immer derselbe. Er verstand nicht, warum keiner mehr mit ihm zu tun haben wollte.
Viktor starb, weil seine Besitzerin die vielen Anfeindungen nicht verkraften konnte. Nicht einmal eine Woche war sie bereit, auf einen freiwerdenden Zwingerplatz im Tierheim zu warten und bis dahin zu ihrem treuen Gefährten zu stehen. Der Gang zum Tierarzt war Viktors letzter ….

Die Masse verlangt Blutzoll
Die tobende Medienhetze gegen „Kampfhunde“ forderte viele Opfer, viel menschliches und vor allem tierisches Leid und es ist kein Ende in Sicht. Jetzt ist es schon fast zu spät, das Ruder noch einmal herumzureißen. Der „Sommerfüller“ vieler Zeitungen und Magazine hat eine Eigendynamik entwickelt, die schwer zu stoppen sein wird. Auch bedachte Politiker sind unter Druck geraten, die aufgebrachte Masse verlangt ihren Blutzoll.

Tierheime haben keinen Platz mehr
Österreichs und Deutschlands Tierheime sind für viele der zu „Kampfmaschinen“ diskriminierten Rassehunde die letzte Zuflucht, der letzte Ausweg vor der Todesspritze. Doch die von privaten Spenden finanzierten Tierschutzhäuser sind auch ohne die nahende Flut unerwünschter Pits, Staffs, Dogos, Rottis und deren Mischlinge bereits randvoll. Es fehlen die notwendigen Kapazitäten, um unerwünscht gewordene oder beschlagnahmte „Problemhunde“ unterzubringen. Auch für Resozialisierungsmaßnahmen sind weder ausreichend Personal noch räumliche Möglichkeiten vorhanden.

Tierheim keine Tötungsanstalt
Trotzdem meldeten sich in Deutschland Politiker zu Wort, die eine Abnahme aller „Kampfhunde“ sowie deren Unterbringung und anschließende Tötung in den Tierschutzhäusern fordern. Ein Tierheim im benachbarten Deutschland ist dieser Aufforderung nachgekommen und hat in einer Art Massenvernichtung mehr als dreißig völlig gesunde Pitbulls und Staffordshire Terrier eingeschläfert. Gegen die Verantwortlichen wurde Anzeige erstattet. Doch die überwiegende Mehrheit der Tierheime will sich ohnedies nicht als Euthanasieanstalt mißbrauchen lassen und verweigert die Aufnahme und Tötung behördlich konfiszierter Hunde. War es bisher in den meisten Ländern nicht einmal möglich, ausreichend Tierheime zu finanzieren, ist es noch viel unsicherer, ob geeignete staatliche Auffanglager errichtet werden, um die fragwürdigen Forderungen solcher Politiker umzusetzen. Bis dahin hängen Vorschläge dieser Art im realitätsfernen Raum und stoßen sowohl bei Tierschutzorganisationen als auch bei Veterinären, Tierverhaltensexperten und Kynologen auf ungeteilte Ablehnung.
Die Tötung unschuldiger Tiere, die durch eine Medienkampagne ungeahnten Ausmaßes plötzlich zu Feindbildern geworden sind, hält weder eine sachlichen noch einer ethischen Beurteilung stand.

Halten Sie zu Ihrem Hund!
Die Mitarbeiter österreichischer und deutscher Tierheime versuchen nun, Hundehalter mit Ratschlägen und Trost zu ermutigen, in dieser schweren Zeit zu ihren vierbeinigen Freunden zu halten und sie nicht im Stich zu lassen. Infotage, Hotlines und Gespräche mit Hundeexperten sollen das Selbstvertrauen von Hundebesitzern stärken und ihnen die Kraft geben, Anfeindungen im täglichen Leben standzuhalten. Seit Jahrtausenden sind unsere Hunde als treue Gefährten nie von der Seite ihrer Menschen gewichen. Jetzt brauchen sie unsere Hilfe.



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Hunde sind Teil unserer Kultur
von Maggie Entenfellner, Leiterin der Tierecke in der Kronenzeitung

Als wäre die Situation in Österreichs Tierheimen nicht schon schlimm genug, gesellt sich nun auch das Problem mit den sogenannten Kampfhunden dazu. Verzweifelte Hundebesitzer, die von Passanten, Nachbarn und Arbeitskollegen beschimpft, ja sogar bedroht werden, sind das Resultat einer teilweise schon hysterisch betriebenen „Hunde raus aus der Stadt“ Kampagne.
Der Hund, der in guten Zeiten als Liebling verhätschelt wird, als Wach-, Jagd- oder Gebrauchshund Wegbegleiter in so manch gefährlicher oder schwieriger Situation ist und in vielen Fällen als Lawinen- oder Suchhund Menschenleben rettet, hat es sich verdient, dass der Mensch auch in turbulenten Zeiten, in denen Entscheidungen oft aus kurzsichtigen politischen Erwägungen getroffen werden, zu ihm steht. Bei aller Notwendigkeit, gegen Auswüchse vorzugehen, ist das Abschieben oder sogar Töten eines dem Menschen anvertrauten Geschöpfes auf jeden Fall der falsche Weg und kann nicht nur für den einzelnen Hundebesitzer, sondern auch für unsere Gesellschaft keine Lösung darstellen. Hunde jeder Rasse und Gattung sind seit Jahrtausenden unsere treuen Gefährten. Jetzt bedürfen sie unserer Unterstützung, die wir ihnen nicht verwehren dürfen.

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