Abenteuer Afrika – Killerinsekten und korrupte Beamte

Von Astrid Macmillian

Gabun hat zwar überwiegend gute Straßen, doch „Killerinsekten" machen den Abenteurern und ihrem Hund Paule das Leben schwer. So schnell wie möglich versuchen sie, das Land zu verlassen. In der Republik Kongo ist eine kurze Erholungsphase möglich, doch der Weg weiter in die Demokratische Republik ­Kongo gestaltet sich äußerst schwierig. Und dann jede ­Menge Stress mit korrupten Beamten an der Grenze.

Gabun ist ein regelrechtes Straßenparadies für Overlander, wie wir es sind. Die Straßen sind neu geteert und herrlich. Nur auf der direkten Strecke in die Hauptstadt Libreville gibt es Schlaglöcher. Alle anderen Verbindungen sind weitgehend neu geteert. Wir kommen daher schnell voran. Die erste Nacht verbringen wir bei Einheimischen, die auffallend zurückhaltend sind. Überhaupt wirkt Gabun sehr anders: Wir werden gar nicht angebettelt. Und es sind nur wenige Menschen auf den Straßen. Das Land scheint kaum besiedelt zu sein. Die Häuser, die wir sehen, sind so heruntergekommen, dass wir uns nicht vorstellen können, dass dort jemand wohnt, zumal wir nie Menschen bei den Häusern sehen.

Geisterdörfer und Killerinsekten
Nachdem wir zwei Stunden lang nur an solchen „Geisterdörfern" vorbeigekommen sind, gewinnen wir beide das Gefühl, dass da vielleicht doch Menschen wohnen, denn irgendwo müssen die Leute ja leben. Wir halten schließlich bei einem Häuschen, das alleine in der Gegend herumsteht, und finden dort tatsächlich einen Mann, der uns erlaubt zu bleiben. Wir parken unseren Landy und steigen aus. Genau auf diesen Moment scheinen die Killer­insekten der Gegend gewartet zu haben: Sie attackieren uns und nach nur fünf Minuten sind wir von Stichen übersät. Die Tierchen machen auch vor meiner Jeans und einem lang­ärmeligen Pulli nicht Halt. So schnell wie möglich beenden wir unser Abendessen und ziehen uns in den Landy zurück, wo wir eine schwül-heiße Nacht verbringen.

Als wir am nächsten Morgen aufstehen, meint Loyal bei meinem Anblick: „Wie siehst du denn aus? In deinem Gesicht sind lauter rote Flecken!" „Aber du erst, schau mal deine Arme an!", entgegne ich. Und wirklich: Wir sind übersät mit roten Flecken, die irgendwelche Insekten auf unserer Haut hinterlassen haben und die nach einiger Zeit fürchterlich zu jucken beginnen! Auch unsere Füße sind von den vielen Stichen angeschwollen und passen nur noch in die offenen Flip-Flops. „Ich habe das Gefühl, irgendwas hat seine Eier in meine Füße gelegt und nun krabbelt es unter meiner Haut", meint Loyal zu mir. Ich schaue mir seine Füße genauer an: Die Stiche leuchten rot, blau, grün und gelb. Der ganze Fuß ist verfärbt. „Wenn das morgen nicht besser ist, sollten wir zum Arzt gehen!" Auch unser Hund Paule hat es abbekommen: Er jault immer mal wieder, kratzt sich und hat Beulen auf dem Rücken. Auch bei ihm scheinen sich die Stiche entzündet zu haben! Er kann kaum still liegen!

So schnell es geht fahren wir ­weiter in die sehr moderne Hauptstadt ­Libreville. Aber auch dort empfangen uns viele Insekten und dazu noch Dauerregen. Kein Wunder, wir sind in der Regenzeit unterwegs. Es gelingt uns, die Visa für die Republik Kongo zu ergattern. Wir übernachten auf dem Parkplatz eines Frauenklosters, in dem es auch Gästezimmer gibt. Dort lernen wir einen Franzosen kennen, der mit einer Einheimischen verheiratet ist und mit seinen zwei Kindern gerade in Gabun Urlaub macht. Sein Sohn ist ganz fasziniert von Paule und will ihn unbedingt an der Leine in der Gegend herumführen. Paule ist ganz brav und lässt sich das gefallen. Naja, der kleine Junge folgt ihm auch überall hin, wo Paule hinmöchte! Wir sind trotzdem froh, dass Paule sich scheinbar an ­Kinder zu gewöhnen scheint.

Wir verlassen Libreville und fahren weiter nach Süden nach Lambaréné, den Ort, an dem Albert Schweitzer viele Jahre lang gewirkt hat. Das von ihm gegründete Krankenhaus gibt es heute noch. Außerdem ist ein ­kleines Museum eröffnet worden. Paule interessiert sich weniger für die Ausstellung als vielmehr für die Tiere um das Museum herum. Vor dem großen Pelikan hat er gehörigen Respekt, aber mit den beiden Rehen beschnuppert er sich. Er ist sehr enttäuscht, dass er mit den beiden nicht spielen kann, weil sie sich in einem eingezäunten Gelände befinden. Nach einer guten Viertelstunde, in der er mit den beiden Rehen durch den Zaun hindurch flirtet, bringen wir ihn zurück zum Auto, um weiterzufahren. Paule ist sehr traurig und enttäuscht. Wir geben ihm ein Leckerli und schnell sind die poten­ziellen Spielkameraden vergessen und er ist wieder zufrieden.

Unser Ziel ist es, das Land auf schnellstem Weg zu verlassen. Wir haben es inzwischen „Höllental der Insekten" getauft und wollen deshalb schnell in den Kongo einreisen. Das ist allerdings gar nicht so leicht. „Wo ist euer Touristen-Zertifikat?", will der selbsternannte Grenzbeamte irgendwo im Busch zwischen Gabun und der Republik Kongo von uns wissen. Wir diskutieren fast eine Stunde mit ihm und versuchen ihn davon zu über­zeugen, dass Touristen mehr an ihrem Pass und ihrer Herkunft und weniger an einem offiziellen Zertifikat als solche zu erkennen sind. Alles Reden hilft uns nicht weiter. Erst unser Autodokument stellt den Mann zufrieden: „Ja, das ist es! Dieses Blatt haben nur Touristen!" Der Mann strahlt und wir dürfen weiter.

Afrikanische Lächelhunde
Die Republik Kongo überrascht uns in sehr positivem Sinne: Wir haben keine Probleme bei der Einreise. Außerdem ist die Landschaft wunderschön. Ständig halten wir an, um Bilder zu machen. In der zweiten Nacht ­bleiben wir bei Einheimischen, die einen kleinen Hund haben, der fast so aussieht wie Paule, nur viel kleiner eben. Rocky heißt die kleine Hündin, und ich träume gleich von einer Zucht ­„afrikanischer Lächelhunde". „Du spinnst wohl!", ist Loyals Reaktion, „Es ist schon schwierig genug, für Paule alle Papiere zusammenzubekommen, da können wir nicht noch einen ­zweiten Hund aufnehmen."

In Kongos Hauptstadt Brazzaville wohnen wir bei der französischen Lehrerin Chantal, die mit einer Freundin und ihrer Hündin Cheyenne in einem sehr großen Haus lebt. Hier können wir endlich entspannen und uns von den Strapazen der letzten Wochen erholen. Paule freut sich über die neue Spielkameradin: Er darf außerdem im Gartenbereich frei herumlaufen, und zu zweit jagen die beiden Hunde durch den Garten. Der Wächter schüttelt stumm den Kopf, als er die beiden sieht. Afrikaner ­würden herumtollende Hunde in ihrem Garten nicht dulden. Sehr komisch, diese Weißen mit ihren Hunden, denkt er sich wohl.

Relativ entspannt brechen wir eine Woche später in Richtung Demo­kratische Republik Kongo auf. Die „große Schwester" ist die gefährlichere Variante der beiden Kongos. Auch das Auswärtige Amt warnt vor einer Einreise. Allerdings ist es für uns gar nicht so leicht, überhaupt zur Grenze zu gelangen: Da die Fähre zwischen den beiden ­Hauptstädten Brazzaville und Kinshasa für die korrupten und willkürlichen Beamten berüchtigt ist, wollen wir die Landgrenze weiter südlich benutzen. Etwa fünf Kilometer davor stehen wir allerdings vor einer eingestürzten Brücke. Die schlecht instand gehaltene Konstruktion hat den Regenfällen der letzten Tage nicht standge­halten. „Nehmt einfach die neue ­Straße weiter südlich. Dort kommt ihr ­problemlos bis an die Grenze", rät uns der herumstehende ­Zollbeamte, der sehr betrunken scheint. Wir machen uns auf den Weg. Bald stellt sich heraus, dass die neue Straße so neu ist, dass es sich bisher nur um eine geschobene Piste handelt, die jetzt nach den Regenfällen eine schmierige Oberfläche aufweist, so dass wir mehr vorwärts rutschen als fahren.

Unpassierbar
Der zweite Schock nach zwei Stunden Rutschpartie: Kurz vor unserer Ankunft ist ein LKW in die neue Brücke eingebrochen. Der Weg ist unpassierbar. Obwohl wir es spätestens jetzt besser wissen sollten, hören wir auf den Rat eines Anwohners: „Das ist gar kein Problem. Nehmt die Querverbindung über die Dörfer, dann seid ihr in zehn Kilometern wieder auf der Hauptstrecke." „Gibt es Brücken auf dieser Route?", hakt Loyal nach. „Nein, keine Brücken. Da kommt ihr gut durch!" Zumindest mit der ersten Aussage hat der Mann recht: Es gibt tatsächlich keine Brücken. Das liegt allerdings daran, dass es gar keinen Weg gibt. Zu Beginn folgen wir einem Trampelpfad, der sich schnell in Luft auflöst. Die Strecke ist so schlecht, dass wir gezwungen sind, Bäume zu fällen und Erde in tiefe Löcher zu füllen, um weiterzukommen. Die Hitze brennt erbärmlich, weit und breit ist kein Mensch zu sehen. Loyal und mir ist klar, dass wir hier in dieser afrikanischen Wildnis verloren sind, falls unser Landy aufgibt. Mehrmals droht unser Gefährt zu kippen und ich rufe Stoßgebete gen Himmel. Ist diese grüne Hölle nun unsere Endstation?, frage ich mich. Innerlich verfluche ich meine Idee, im Auto den afrikanischen Kontinent zu umrunden. Immer wieder türmen sich steile Berge vor uns auf und uns gelingt es nur mit vereinten Kräften, die steilen und schmierigen Abhänge zu erklimmen. Paule liegt währenddessen im Körbchen und schläft. Er scheint begriffen zu haben, wie brenzlig unsere Situation ist, und zieht sich zurück. So ruhig haben wir ihn auf der ganzen Reise noch nicht erlebt. Nicht einmal will er während des gesamten Tages mit uns Gassi gehen.

Schließlich gelingt uns wirklich das Unmögliche: Wir kommen an die ­Grenze. „Wir haben hier keine Stempel. Eure Pässe müsst ihr in der Hauptstadt stempeln lassen", teilen uns die Grenzbeamten ernst mit. „Wir fahren auf keinen Fall wieder zurück!", sind Loyal und ich uns einig. Wir zeigen den ­Männern die Fotos auf der Digital­kamera, und nun schauen auch sie ungläubig auf uns und den Landy. „Da seid ihr durchgekommen? Wow!" Alle schütteln uns die Hand und wir dürfen ­weiter zur Grenze mit der Demokratischen Republik Kongo. „Zeigt denen auch die Bilder! Dann ­lassen sie euch bestimmt rein!"

Der Grenzbeamte auf der anderen Seite macht uns nervös. Er grüßt, öffnet aber nicht den Schlagbaum und schaut in eine andere Richtung. „Könnten Sie bitte für uns aufmachen?", frage ich vorsichtig. „Nein!", ist die sehr knappe Antwort. Loyal stellt den Motor aus und schaut mich fragend an. Wir warten etwa zehn Minuten. Vorsichtig fragen wir erneut. „Nein!" ist die Antwort. Diesmal gebe ich nicht so schnell auf. Ich frage weiter und erfahre schließlich, dass die Verantwortlichen auf dem Weg sind. Und tatsächlich, da kommen sie schon um die Ecke. Unser Wagen wird genau untersucht und unsere Pässe konfisziert. Die Beamten haben ­riesige Angst vor unserem kleinen Paule. Wir müssen ihn festhalten. Papiere wollen sie von ihm keine sehen. Wir sind erleichtert. Der Schlagbaum hebt sich, wir bekommen unseren Stempel und dürfen fahren. Wir sind todmüde und suchen uns schon kurz nach der ­Grenze einen Übernachtungsplatz.

In dieser Region ist es nach Sonnen­untergang und auch den ganzen ­Vormittag über sehr neblig und man sieht fast die eigene Hand nicht mehr vor Augen. Paule ist sehr verunsichert und will den Landy nicht verlassen. Trotzdem muss er Gassi gehen. Der klebrige und aufgeweichte Lehm klebt an seinen Pfoten. Es ist schwierig, ihn für das Auto sauber zu machen, zumal wir nur noch wenig Wasch­wasser haben, unter anderem deshalb, weil uns von den Einheimischen ­keines angeboten wird. Fast eine ganze Woche müssen wir ohne zu duschen auskommen und das bei den Strapazen. Außerdem weisen unsere Decken alle braun­rote Tapsen von Paule auf. Hoffentlich haben wir bald die Ge­legenheit, unsere Sachen zu waschen.

Erleichtert nach Angola
Wir sind sehr erleichtert, nach wenigen Tagen weiter nach Angola reisen zu können. Obwohl die Menschen und gerade auch die Beamten sehr nett und uns gegenüber nicht korrupt waren, sind wir froh, der Demokratischen Republik Kongo den Rücken kehren zu können. Wir hoffen auf bessere und vor allem weniger ­verschlammte Pisten.

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