Abenteuer – mit Hund im Truck durch Asien

Von Karl Heinz Dienstl

Karl-Heinz Dienstl wird vielen WUFF-Lesern bekannt sein – vor allem aber seine vierbeinige Begleiterin Vega, die ehemalige Straßenhündin aus Spanien. Vom Tierheim in den Allrad-Truck und auf nach Afrika – das war die erste Reise mit Vega. In der vergangenen Ausgabe von WUFF berichtete Dienstl über den Flug mit Vega nach Bangkok und über verschiedene asiatische Märkte. Sein Expeditionstruck wurde nach Malaysia verschifft. Nun geht es darum, den Truck zu holen und das Abenteuer zu beginnen …

Meine Hündin Vega bleibt gut behütet im gemieteten Bungalow, während ich nun das Expeditionsmobil aus Malaysia hole. Mit dem Truck ist alles in Ordnung, aber … Ich versuche vor Ort eine Einreisegenehmigung für Vega zu bekommen. Am Veterinäramt lege ich ein „perfektes Gesundheitszeugnis“ aus Großbritannien vor, in dem Vega eine reinrassige Britin ist. Kein Problem, wird erwidert, „wo ist der Hund?“ Ich sage, „der kommt erst in ein paar Tagen aus Thailand“. „Ja, dann gibt es keine Möglichkeit für eine Einreisegenehmigung. Die gibt’s nur, wenn der Hund direkt aus Großbritannien einreist. Dann kann die Quarantäne entfallen.“ Oje, Plan B ist somit geplatzt! So kommt Malaysia für unsere Asienroute nicht mehr in Frage, leider. Aber Vega geht vor, selbst die ausgehandelte reduzierte Quarantänezeit von 7 Tagen kommt nicht in Frage.

Hunde gehören in Thailand zum Alltag
Unsere Fahrt durch Südostasien beginnt und wir merken schnell: Das Wetter macht uns zu schaffen, es ist Oktober, heiß und schwül. Ärgerlich ist besonders, dass die Klima­anlage – extra für Vega über ihrem Platz eingebaut – mit den Temperaturen hier total überfordert ist. Vom ersten Tag an verweigert sie den Dienst. Unser neuer Job ist ­Schattensuche …

Hunde gehören in Thailand zum Leben, werden akzeptiert und ich finde es ausgesprochen super. Vega ist überall willkommen, am Markt, im Tempel, in Lokalen, egal wo – Vega ist immer dabei. Dass für Thailänder Hunde selbstverständlich sind, soll aber nicht heißen, dass es den Tieren dort gut geht. Fast alle haben mit Hautkrankheiten zu kämpfen, Parasiten tragen sie gut sichtbar auf der Haut, eitrige Ausschläge und Augen sind ebenso verbreitet. Bei einigen geht das so weit, dass sie das komplette Fell verlieren. Ausgemergelt findet eine Hündin, unübersehbar schon oft trächtig gewesen, bei uns viele kleine Futterportionen.

Hunde beim Tempelfest
Wir haben einen Tipp bekommen und besuchen ein Tempelfest, eine gute Gelegenheit, etwas über Land, Leute und Buddhismus zu erfahren. Das Fest ist quirlig und laut. Arme sitzen samt Familie in einer Reihe mit Blechdosen vor sich an den Treppen. Um einen Baum werden unter Gesängen der Mönche Geschenke aufgetischt, die Stimmung ist heiter, lachende Mönche, schön anzusehen. Nach einiger Zeit versammeln sich die Armen um den Baum. Ihre Augen scannen die bunten Gaben, wo ist das beste Schnäppchen, wo das meiste drin? Der wohl höchstrangige Mönch hält eine Ansprache, die Umstehenden werden unruhig. Die alles umgebende Gebetsschnur wird vom Mönch durchgeschnitten – Startschuss, dann ist der Trubel los! In wenigen Augenblicken ist alles leer geräumt, die Hunde mittendrin finden ihren Anteil.

Unsere Reise quer durch Thailand bringt auch Überraschungen. Kein Thai spricht außerhalb der Touristenhochburgen nur ein Wort Englisch, das ist schwierig. Ich kann jedem Schwarzen in Afrika mit Händen und Füßen erklären, was ich will, das habe ich oft genug bewiesen. Hier jedoch spielt die Mentalität eine große Rolle. Niemand will sein Gesicht verlieren, hat Angst, etwas falsch zu machen. In einer afrikanischen Stadt, ich stehe an einer Kreuzung, es wird keine Minute vergehen bis jemand kommt, fragt, ob ich Hilfe benötige, wo ich hin will. Die gleiche Situation in Thailand, mein Bart würde sehr lang werden, sehr, und vielleicht würde ich dort meine letzte Ruhe finden!
 
Aber wie meist im Leben gibt es zwei Seiten, die andere ist eine ausgesprochen schöne: Wir können und dürfen überall für ein paar Tage stehen bleiben. Niemand belästigt uns, außer sie wollen ein Foto von Vega oder dem Truck machen, freundlich wird gefragt. Viele Nächte haben wir im offenen Fahrzeug geschlafen, einfach schön, sich keine Sorgen um die Sicherheit machen zu müssen.

Da Vega überall schwimmen geht, wechsele ich das Flohhalsband alle zwei Monate. Ein sicherer Schutz. Es trifft sich, dass wir gerade bei einem Deutschen sind, als Vega am Ohr Hautprobleme bekommt. Der Tierarzt von Mae Sot, eher weiblich, hilft kompetent, eine Infektion durch einen Insektenstich – seine Diagnose. Die von mir bereits eingesetzte Behandlung findet seine Zustimmung, und ein paar Tage später können Vega und Jessi, der junge Hund von Tom, unserem Gastgeber, das Grundstück wieder aufmischen. Wir streifen über wundervolle und farbenprächtige Märkte, über Land begegnen uns im Grenzgebiet Burmesen, Flüchtlinge aus der Armut.

Auf dem Weg nach Laos
Vorbei an ehemaligen Reisfeldern, die nun zu Scampi-Zuchtbecken umgebaut wurden, fahren wir nach Laos. Jeder, der diese Anlagen gesehen hat, wird nur mehr ungern Scampis essen! Die Tiere dümpeln in abgeschlossenen, flachen Teichen in ihren eigenen Exkrementen. Damit sich keine Krankheiten ausbreiten, werden Antibiotika in Massen zugeführt.

In Laos merken wir, wie „wohlhabend“ die Thailänder sind, hier ist es viel ärmlicher vom ersten Kilometer an. Die ­Menschen sind noch zurückhaltender, was natürlich auch mit unserem Truck zu tun haben kann – auf den ersten Blick könnten wir für Militär gehalten werden.

Den touristischen Highlights folgen wir von Vientiane aus nach Vang Vieng und Luang Prabang. Wenn es mehr ­Touristen als Einwohner gibt, ist es wie bei den alten stilvollen Caféhäusern, sie verlieren ihr besonderes Flair. Trotz allem ein Muss, die alten Stelzenhäuser, die Tempel und die prachtvollen alten französischen Villen und nicht zu ver­gessen: die Croissants, seit Monaten endlich leckeres Gebäck dank der Kolonialzeit!

Auf der Suche nach dem Ursprünglichen fahren wir entlang des Mekong, der Mutter aller Flüsse, gen Süden. Kaffeeplantagen, Wasserfälle, Höhlen laden zur Besichtigung!

Die 4000 Inseln im Mekong können wir dank (hoffentlich) tragfähiger Fähre näher erkunden. An einem schönen Platz mit Badestrand wollen wir ein paar Tage verbringen. Am angrenzenden Ressort fragen wir um Erlaubnis. Den Manager, Franzose, freut es sofort und wir erliegen seinem Charme und bestellen Abendessen. Vega übernimmt bei den beiden Haushunden sofort das Kommando und wir dinieren! Ja, das, was der Franzose auffährt, darf so bezeichnet werden, wir müssen sehr verhungert ausgesehen haben und sind die einzigen Gäste in der halbherzig genutzten Anlage! An einem weiß gedeckten runden Tisch genießen wir den Blick, der Mekong ist voller Wasserbüffel und wir haben auch Vega mit ihren Kumpels unter Kontrolle.

Kambodscha: Vega wird verschwiegen …
An der Grenze zu Kambodscha müssen wir einen „Gesundheitscheck“ machen, unter anderem wird unsere ­Temperatur (!) gemessen. Daraufhin beschließe ich, Vega besser zu verschweigen bei dieser Korinthenzählerei. Wir werden sie auch in Zukunft an keiner Grenze vorsätzlich erwähnen.

Kambodscha ist staubig, armselig und verdreckt. Die Schönheiten finden wir weit ab im Busch bei den Bauern. Die frei umherlaufenden Hausschweine versüßen Vega den Tag mit Neckereien. In den Gesichtern der Marktfrauen liegt so ein warmes Lachen, die Arbeiter in den Ölpalmen-Plantagen bestaunen meine Putzarbeiten am Truck, und immer wieder mit einem Blick auf Vega kommt der Satz: „Wir Kambodschaner essen Hundefleisch.“

Killing Fields, Angkor und den Tonle Sap mit den schwimmenden Dörfern der Vietnamesen statten wir einen Besuch ab. Und in Siannokville finden wir direkt am Strand einen schönen Platz, um etwas Urlaub von der Reise zu machen. Hier entscheidet sich dann auch unser weiterer Weg. Wir werden über China/Tibet nach Indien weiterreisen.

Nach Wochen der Erholung tingeln wir nochmals quer durch Thailand und erkunden das Goldene Dreieck. Das Grenz­gebiet zwischen Burma, Thailand, Laos hat keinen guten Ruf. Opiumhandel. Aber gastfreundliche Menschen lassen uns an wunderschönen Orten parken, was sich die nächsten Tage in China ändern wird.

In China: High End und Mittelalter
Den staubigen Feldweg mit Behördenchaos im Grenz­gebiet Laos tauschen wir auf wenigen Metern gegen weißen ­Marmor mit gut sitzenden Krawatten auf chinesischer Seite ein. Theoretisch müsste Vega in Quarantäne, die Reiseagentur hat gute Arbeit geleistet, keiner erwähnt einen Hund! China darf nur mit einem „Guide“ – besser Aufpasser – im Auto bereist werden. Diesen davon zu überzeugen, dass ein Hund lange Spaziergänge braucht, muss täglich neu versucht werden.

In China platzen die Städte aus allen Nähten. Die Größe der Baustellen ist wahnsinnig, wie auch der Unterschied zwischen Stadt und Land. Vom Mittelalter bis hin zum High End, beides auf kurzer Entfernung zu finden; Gewinner und Verlierer. Höhenzüge beginnen an der Yangtze Schleife, die Landschaft wird immer imposanter. Kurz vor Shangrila sehen unsere Augen erste tibetische Häuser. Die Bürokratie lässt uns drei Tage warten. Eine tibetische Familie besuchen wir unangemeldet und verursachen eine hiesige ­bescheidene Festtafel rund um den Küchenofen. Die Katze kann froh sein, dass Vega im Truck wartet!

In Tibet
Tibet ist beeindruckend durch die Leidenschaft des Glaubens, trotz der chinesischen Unterdrückung. Pilger treffen wir schon hunderte Kilometer auf der Hochebene vor dem Ziel Lhasa mit Karren, in Zelten, ganze Familien mit rotierenden Gebetsmühlen. Der alte Sitz des Dalai Lama – ­Lhasa – wird von den Chinesen verbaut und bewacht, kaum eine Wiese ist für Vega zu finden, vor dem Sommerpalast ­Norbulingka hat Vega Glück!

Ein alter Handelsweg ist genau richtig für den off Road-fähigen Truck und bringt uns mit grandiosem Blick auf den Himalaja und Abstecher zum Basiscamp des Mount Everest nach Nepal.

Nepal und Indien
Nach den anstrengenden Wochen mit Zeitvorgabe und Bewachung brauchen wir im idyllischen Nepal Pause! Vega nickt zustimmend, und in der Nähe von Pokhara bleiben wir wochenlang im Grünen. Die Armut der Menschen lässt uns von einer Familie Mini-Fische aus dem Fluss für Vegas Futter abkaufen, die Kinder werden dabei gleich mit Äpfeln versorgt. Ihr „Namaste“ hören wir jetzt jeden Tag mehrmals. Noch eine gute Tat sei erwähnt: Ein kleiner Welpe wurde in Kathmandu von Deutschen aufgenommen. Die Mutter­hündin und seine fünf Geschwister sind gestorben, Ford – so sein Name – wird es gut haben!

Mit dem wunderbaren Blick auf das Himalaja-Zentralmassiv Annapurna verabschieden wir uns aus Nepal. Die Hitze ist nicht auszuhalten, sobald wir die Berge verlassen und in Indien einreisen. Die Entscheidung fällt nicht schwer, nach kurzer Zeit in Delhi und Agra schnurstracks Richtung ­Kaschmir zu reisen. Apfelplantagen, der reißende Fluss ­Sutlej, buddhistische Klöster in den Bergen begleiten uns zum malerischen Spitti Valley. Nebel und Regen sind Vor­boten von Erdrutschen und weggespülten Brücken.

Indien mit seiner Überbevölkerung, dem Schmutz und der völlig unberechenbaren Fahrweise wollen wir bald den Rücken kehren. Der berühmte Goldene Tempel in Amistar ist der letzte Stopp vor Pakistan. Nicht ganz relaxt reisen wir ein, aber abgesehen von weiten Umwegen aufgrund der Lage am Indus und nervigen Polizeieskorten im Grenzbereich zu Afghanistan, gibt es keinen Ärger. Wir wollen nicht länger als unbedingt nötig bleiben und verzichten somit auf jegliche Besichtigung, lernen dafür die Bauern und Flüchtlinge vor der Überschwemmung kennen. Zu schnell kann in solch krisengeschüttelten Ländern die Lage umschlagen.

Im Iran
Auch bei der Einreise in den Iran gibt es keine Probleme wegen Vega. Die Moslems sind gastfreundliche Menschen, stolz, dass wir ihr Land besuchen. Als einer der größten Erdöllieferanten verwundert jedoch die Diesel-Rationierung im Lande. Nur mit Hilfe von entspannten Lkw-Fahrern und gelegentlich sturem Verhalten meinerseits kommen wir an den nötigen Treibstoff. Auch wenn es in Teheran relativ ungezwungen zugehen mag, außerhalb dieser ­Metropole herrschen strenge Gesetze im Leben. Wunderbar und gelassen hingegen der Markt in Tabriz, Teppiche über Teppiche, ein wahres Paradies! Da wir nur ein begrenztes Transit-Visum haben, müssen wir eilig in die Türkei. Vega ist angenervt, da wir stundenlang an der Grenzabfertigung verbringen müssen.

Über die Türkei wieder nach Hause
Mit dem Anblick des Ararat fühlen wir uns wieder in ­Europa. Die Hunderasse Kangal prägt Anatolien. Immer wieder sehen wir beim Gassigehen die Tiere zusammen mit den Herden wandern und halten respektvollen Abstand. Als wir über den Bosporus fahren, sind wir auch geografisch in Europa angekommen. In Griechenland auf die Fähre nach Venedig und dann ist es nur noch ein Katzen(Hunde)-Sprung, bis Vega ihre alten Kumpels be­grüßen kann.

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