Neue Wege im Schauring? – Bewertungsteam statt Einzelrichter

Von Annelie Feder

Üblicherweise bewerten  Einzelpersonen bei Hundeschauen die ausgestellten Hunde nach ihrem äußeren Erscheinungsbild und entscheiden damit über den Einsatz der Hunde in der Zucht. Dass dieses veraltete (und missbrauchsanfällige) System des Einzelrichters zum Niedergang der Gesundheit der Hunderassen geführt hat, wird heute von Fachleuten kaum mehr bestritten. Der Vorschlag eines neuen Bewertungssystems von Dr. Hellmuth Wachtel, 2011 erstmals in WUFF vorgestellt, ist bei Eurasierfreunden auf fruchtbaren Boden gefallen.

Da staunte der junge Eurasier nicht schlecht, als ihm im Ausstellungsring drei Leute gegenüber standen, die alle etwas von ihm wollten. Aber verwöhnt durch etliche Streicheleinheiten und einige Leckerchen ließ der junge Eurasier die Bewertungsprozedur über sich ergehen. Als später die erfahrenen Ausstellungsprofis den Ring betraten, nahmen sie neugierig zur Kenntnis, dass statt des üblichen Diktierens des Richterberichtes durch einen Einzelrichter ein kleines Gremium diskutierend und abstimmend zu einer Bewertung kam.

Neue Wege im Schauring?
Angeregt durch einen Artikel von Dr. Hellmut Wachtel haben sich viele Eurasierfreunde Gedanken gemacht, wie man den Eurasier, der bis heute noch als gesunde Rasse gilt, vor den Gefahren des Schauwesen bewahrt. Zwar gelten beim Eurasier strenge Zuchtkriterien und Gesundheitsuntersuchungen auf Hüftgelenksdysplasie, Patella­untersuchungen, Augen, Schilddrüse sind Pflicht, aber auch beim Eurasier hat das Schauwesen einen hohen Stellenwert. Denn bei den meisten FCI-Vereinen ist eine Ausstellungs­bewertung Pflichtprogramm vor einem Zuchteinsatz.

Beim Einzelrichter besteht durchaus die reale Gefahr, dass bei mancher Beurteilung eine gewisse Vorliebe für bestimmte Typen und Farben einfließt. Das Schauwesen beurteilt einzig und allein das äußere Erscheinungsbild des Hundes, den der Aussteller möglichst gekonnt präsentiert. Eine Vitalitäts­beurteilung gibt es nicht. Hier haben es Eurasierfreunde oft genug erlebt, dass dem „hergerichteten“, gefönten Eurasier, der sich wie ein Standbild korrekt vor dem Richter präsentiert, der Vorzug gegenüber dem munteren, vitalen Eurasier gegeben wird.

Herr Dr. Wachtel schlägt nun in seinem Artikel vor, den Einzelrichter durch ein Beurteilungsgremium zu ersetzen, welches aus einem Tierarzt, einem erfahrenen Hundezüchter sowie einem kynologisch versierten Hundefreund besteht. Konkret soll damit der Einfluss des Richtens bloß nach dem äußeren Rassestandard zurückgedrängt werden zugunsten einer Vitalitätsbeurteilung.

Aber wie soll man neue Ideen aufgreifen und umsetzen, wenn es starre FCI-Regeln zum Schauwesen gibt, die den Vereinen keinen Spielraum lassen. Bisher ist in den zwei Jahren seit dem Erscheinen von Dr. Wachtels Artikel in WUFF nichts geschehen. Die Öffentlichkeit, insbesondere die ­Medien, haben sich jedoch in letzter Zeit des Themas Schauwesen und dessen Nachteile immer stärker angenommen und es werden immer mehr die großen Dachverbände kritisiert, die Extreme in der Hundezucht zugelassen haben.

Engagierte Gruppierungen
Nun hat sich eine Gruppe von ­Eurasierbesitzern, die Eurasierfreunde-Deutschland, und eine Gruppe von Züchtern, die EurasierZucht-Vereinigung, des Themas angenommen und beschlossen, neue Wege im Ausstellungswesen zu gehen und die Vorschläge von Dr. Wachtel aufzugreifen. Dies ist aber nur möglich, weil sie sehr starke Gruppierungen außerhalb der FCI sind und deshalb an keine starren Ausstellungsregeln gebunden. So wurde auf einer ­Eurasier-Ausstellung  im September 2013 in Walkershofen der Einzelrichter durch ein dreiköpfiges Bewertungsteam á la Wachtel ersetzt und dies auch in der Ausschreibung deutlich gemacht.

Da mich die Meinung der Aussteller zu diesem Experiment interessierte, fuhr ich nach Walkershofen, um dort einige Interviews durchzuführen. Einig waren sich alle Aussteller, dass ein Gremium eine größere Objektivität bietet als ein Einzelrichter. Ein Team, welches sich im Endurteil abstimmen muss, wird für gerechter gehalten und dessen Urteil auch akzeptiert. Nicht die Präsentation war das Maß aller Dinge, sondern das Lebewesen Hund, was die Aussteller als sehr angenehm empfanden. Weder der Hund noch das Bewertungsteam verhielten sich stocksteif, sondern die Menschen gingen auf den Hund ein, streichelten ihn, gaben ihm Leckerchen, ließen ihn laufen, tasteten ihn ab, diskutierten und entschieden.

Voll des Lobes waren die Aussteller über die Anwesenheit einer Tierärztin im Beurteilungsgremium. Viele ­hatten von Qualzuchten gehört und die Hoffnung geäußert, dass Auswüchse im Schauwesen durch die ­Mediziner verhindert werden könnten. Die Hundeaussteller waren teils erstmalig auf einer Schau, andere hatten mehrfach an FCI-Schauen teilgenommen. Befragt, warum sie sich zu dem ­neuen Experiment angemeldet hatten, beantworteten die Profis mit „man wolle ein neutrales Urteil“, wobei Neugier mit Sicherheit auch ein ­starkes Motiv war.

Neue Wege sind natürlich mit Anfangsschwierigkeiten ­verbunden. Ein organisatorisches Problem ist sicherlich die Zeit, die bei einem ­größeren Gremium auf den einzelnen Hund entfällt. Auch sind es manche Hunde nicht gewohnt, von mehreren Leuten dicht umringt zu sein, die alle etwas „von ihm wollen“. Mancher Hund war sichtlich gestresst.

Mein persönlicher Eindruck war, dass die Aussteller insgesamt von dem Bewertungsgremium positiv überrascht waren, das Urteil ­akzeptierten und die Anfangsschwierigkeiten überlagert wurden von dem regen Treiben auf dem Ausstellungsgelände: Welpen spielten, Hundefamilien trafen sich, nette Plaudereien rund um den ­Eurasier und vieles mehr.

Ich wünsche den Vereinen, dass sie mutig diesen Weg weitergehen und ihre Freiheiten außerhalb des VDH/FCI umsetzen zum Wohle des Hundes. Sie sind auf einem guten Weg.

VERANSTALTER

Eurasierfreunde-Deutschland: www.eurasierfreunde-deutschland.de 
Eurasier-Zucht-Vereinigung: www.der-eurasier.de

HINTERGRUND

Dr. Hellmuth Wachtel: Für gesunde Hunde
Wozu das derzeitige System der Hundezucht (vorwiegend sog. Schönheits- oder Schauzucht) mit den zunehmenden Erbkrankheiten und Qualzuchten geführt hat, ist bekannt und mittlerweile schon Thema der Tagespresse. Was ­früher nur Hundebesitzer betraf, hat den Weg in die ­breite Öffentlichkeit gefunden. Seit vielen Jahren weist Dr. Hellmuth Wachtel schon – nicht zuletzt auch in WUFF – auf die ursächlichen Probleme hin und schlägt Lösungen vor. In seinem Artikel „Der Rasse­hund: ­Irrwege der Schauzucht und ein Weg zur Lösung“ (WUFF 7-8/2011) stellte der anerkannte Hundefachmann eine entscheidende Systemänderung  vor, für die es sich zu kämpfen lohnt.

Artikeldownload: www.wuff.eu/wuff_0214_wachtel

Das könnte Sie auch interessieren: