„Los, streichle mich!"

Von Andrea Specht

Ich sitze mit Katherina Aberle und ihrem Hund Giri – einem Hovawart – in einem Wiener Kaffeehaus. Wir wollen über Tellington Touch sprechen, eine Methode aus Amerika, die so Wunderbares verspricht.

WUFF: Frau Aberle, Sitzungen bei Hundeflüsterern, Tier-Kommunikatoren oder esoterischen Wunderheilern stehen derzeit hoch im Kurs. Fällt Tellington Touch nicht auch in diese Kategorie und liegt damit voll im Trend?

Aberle: Als ich vor über 10 Jahren zum ersten Mal von dieser scheinbar so tollen Methode hörte, von der es hieß, dass man damit so ziemlich alles verbessern kann, studierte ich gerade auf der veterinärmedizinischen Universität Wien und stand dieser „Tierstreichelsache" – ehrlich gesagt – sehr skeptisch gegenüber.

WUFF: Und heute unterrichten Sie T-Touch …

Aberle: Ja, aus einer ehemaligen Skeptikerin ist eine begeisterte Anwenderin geworden. Mit esoterischem Humbug hat T-Touch eben nichts zu tun.

WUFF: Was ist T-Touch eigentlich?

Aberle: T-Touch wurde von Linda Tellington-Jones entwickelt. Es ist eine Methode, bei der mit kreisenden und hebenden Griffen gearbeitet wird. Je nach Stellung der Finger ändert sich die Wirkung, und je nach Problem gibt es Griffkombinationen, die sogar von Laien einfach zu erlernen sind. Die Griffe können bei jeder Tierart mit leichten Abwandlungen angewendet werden, von der Maus bis zum Elefanten.

WUFF: Welche Rolle spielen dabei Bandagen, die ja auf den ersten Blick ein wenig eigenartig wirken?

Aberle: Der zweite Teil der Anwendung ist die Benutzung von Bandagen zur Schulung der Koordination und des Körpergefühls, was vor allem bei schnell wachsenden Tieren wichtig ist. Wir alle kennen die eine oder andere Geschichte von Doggen, die mit ihrer Rute den gesamten Couchtisch abräumen, weil sie nicht wissen, dass dieses Teil da hinten auch noch zu ihnen gehört. Bandagen werden auch erfolgreich eingesetzt, um reaktives Verhalten zu unterbrechen, wie Bellen, Herumziehen, Furcht – vereinfacht alles, wo der Hund plötzlich aufhört zu denken. Bandagen helfen auch bei Reisekrankheit, Berührungsängsten, Geräuschempfindlichkeit und in vielen anderen Situationen. Außer Bandagen kommen beim Tellington auch Bodenhindernisse zur Anwendung. Hierzu werden Stangen und Bänder verwendet, wodurch die Tiere Zutrauen erlernen sollen, sowie Balance und Körpergefühl, und ihre Aufmerksamkeit zur Bezugsperson soll verbessert werden.

WUFF: Arbeiten Sie auch mit Veterinärmedizinern zusammen?

Aberle: Ja, sehr intensiv, und ich beende ja in Kürze mein Tierarztstudium in Wien. Viele Tiere, vor allem Hunde, die mir von Tierärzten überwiesen werden, kommen oft mit stumpfen Augen, lustlos und voller Schmerzen in meine Praxis. Nach 5 bis 10 Einheiten ist der Lebensfunke wieder übergesprungen und die Besitzer berichten begeistert, ihr Hund sei „wieder so wie vor fünf Jahren". Ängstliche Hunde nehmen ihr Umfeld wieder wahr und sind einer Verhaltenstherapie zugänglicher.

WUFF: Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Patienten?

Aberle: Ja, ich habe sie in sehr liebevoller Erinnerung. Meine erste Klientin war Judi, eine weiße Mischlingshündin. Als ich sie kennen lernen durfte, war sie eine 3,5 Jahre alte ängstliche Hündin. Sie wich allem und jedem aus. Um ihr Vertrauen zu steigern, begannen wir mit Bodenhindernissen. Die Hündin lernte dabei, sich auf sich selbst und die gestellte Aufgabe zu konzentrieren, wodurch sie aufhörte, einen so starken Fokus auf das zu richten, was sie ängstigte. Nach 3 Monaten ließ Judi sich erstmals von mir berühren. Mit hebenden und kreisenden „Touches" entspannte ich ihren ganze Körper. Die Hündin wurde immer zugänglicher, auch anderen Menschen gegenüber. Schließlich entwickelte sie sich zu einer ruhigen ausgeglichenen Hündin, die auch bei der Erziehung von jungen Hunden half.

WUFF: Wir danken für das Gespräch.


WUFF STELLT VOR


Die Referentin

Katherina Aberle beschäftigt sich in ihren Seminaren als gefragte Referentin vor allem mit Ausdrucksverhalten und Kommunikation bei Hunden, Angst, Aggression, Jagdverhalten, Lernverhalten, Tellington Touch und Tiergesundheit. Neben ihrer Ausbildung als Tellington Touch Practitioner II, die sie bei Linda Tellington-Jones absolvierte, beschäftigt sie sich mit TCM (Traditionelle Chinesische Medizin), Shiatsu (Europäisches Shiatsu-Institut) und Aromatherapie (Schülerin von Miriam Wiegele). Aberle studiert an der veterinärmedizinischen Universität Wien.

www.gesundestier.at

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