Hunde sehen anders als Menschen

Von Gerhard Fasching

Als Tierarzt werde ich oft von meinen Patientenbesitzern gefragt: „Wie gut sieht eigentlich mein Hund oder meine Katze?". An sich eine einfache Frage, deren Beantwortung aber doch einiges an Wissen und Verständnis für die anatomischen und physiologischen Unterschiede der Augen und des Seh-Aktes zwischen Tier und Mensch erfordert.

Die wesentlichen Parameter, von denen es abhängt, wie ein Lebewesen die Umwelt mit den Augen wahrnimmt, sind:

– die Sensibilität auf Licht
– die Sensibilität auf Bewegung
– die Seh-Perspektive
– die Ausdehnung des Gesichtsfeldes
– die räumliche Wahrnehmung von Objekten
– die Sehschärfe und das Auflösungsvermögen
– das Wahrnehmen von Farben

Im Folgenden werden diese Parameter im Einzelnen diskutiert und die Unterschiede zwischen Hund, Katze und Mensch beschrieben.

1. Sensibilität auf Licht
Sowohl Katzen- als auch Hundeaugen sind wesentlich licht-empfindlicher als die Augen des Menschen. Katzen sind diesbezüglich an ein sehr gutes Sehen in der Dämmerung und bei Nacht adaptiert. Die Schwelle, an der von der Katze noch Licht wahrgenommen wird, liegt 7-mal niedriger als die des Menschen. Katzen haben eine deutlich größere Hornhaut als der Mensch, die mehr Licht ins Auge einfallen lässt, und eine weiter hinten gelagerte Linse. Dadurch entsteht ein kleineres aber deutlich helleres Bild auf der Netzhaut. Als Photorezeptoren (das sind die licht-empfindlichen Nervenzellen) der Netzhaut dominieren bei Hund und Katze die sehr lichtsensitiven Stäbchen, die für das Sehen bei Dämmerung wesentlich effektiver sind als die beim Menschen die Netzhaut dominierenden Zapfen. Auch der bei Hund und Katze vorkommende Sehfarbstoff Rhodopsin ist an das Sehen bei wenig Licht adaptiert, er ist am empfindlichsten für Licht mit Wellenlängen zwischen 506 Nanometer (nm) und 510 nm (zum Vergleich: 496 nm beim Menschen). Die Stäbchen brauchen nach einer Exposition gegenüber grellem Licht eine Regenerationszeit von bis zu einer Stunde.

Das bei Hund und Katze meist ausgebildete sog. Tapetum Lucidum (das ist eine Licht reflektierende Zellschicht am Augenhintergrund) wirkt wie ein Reflektor hinter der Netzhaut. Aufgrund seiner Lage hinter den Stäbchen und Zapfen sendet es das Licht beim Auftreffen ein zweites Mal zu den Photorezeptoren. Das ermöglicht eine doppelte Ausnutzung des einfallenden Lichtes bei Dunkelheit – allerdings mit dem Nachteil eines Verlustes an Sehschärfe, denn das vom Tapetum Lucidum reflektierte Licht trifft nicht auf exakt die gleichen Photorezeptoren wie das primär einfallende Licht.

Das Tapetum der Katze reflektiert nicht nur 130-mal mehr Licht als die menschliche Netzhaut, es wandelt auch einfallendes kurzwelliges Licht durch einen „Fluoreszenz-Shift" in Wellenlängen um, welche der maximalen Empfindlichkeit des Katzen-Rhodopsins näher liegen. Somit erhöhen sich ebenfalls die Lichtausbeute und der Kontrast. Das Tapetum ist in der Regel in der oberen Hälfte der Netzhaut ausgebildet und erhält hauptsächlich Licht vom dunkleren Untergrund. Diese schwache Beleuchtung wird daher verstärkt. Von dem unter der Papillenebene gelegenen Tapetum-freien Fundus, der das Licht von oben, also vom helleren Himmel, auffängt, wird das gesamte Licht absorbiert, nicht reflektiert, und somit störende Blendung verhindert. Wir alle kennen die Lichreflexion eines Tier-Auges, welches in der Nacht vom Lichtkegel eines Autoscheinwerfers getroffen wird. Dieser Lichtreflex wird durch besagtes Tapetum Lucidum erzeugt.

Hunde zeigen ebenfalls die genannte Adaptierung an das Sehen in der Dunkelheit, wenn auch in abgeschwächterer Form als die Katze. Die Augen des Hundes sind an verschiedenste Lichtsituationen gut adaptiert.

Was sieht der Hund im Fernseher?
Flimmerndes Licht wird ab einer bestimmten Frequenz als konstante Beleuchtung wahrgenommen. Diese als Flickerfusionsrate bezeichnete Größe ist in Abhängigkeit von der Lichtintensität und der Wellenlänge speziesspezifisch und für die Art der Photorezeptoren unterschiedlich hoch. Sie liegt beim Menschen um 50 Hz (d.h. 50 Bilder pro Sekunde), beim Hund zwischen 70 und 80 Hz und bei Raubvögeln um 100 Hz. Sie hängt im Allgemeinen davon ab, wie rasch sich die Photorezeptoren nach Entladung regenerieren und ein Bild aktualisieren können. Sie ist auch an die Geschwindigkeit angepasst, mit der sich ein Lebewesen durch seine Umgebung bewegt. Ein Fernsehbildschirm arbeitet mit einer Bildfolgefrequenz von 60 Hz, das Programm wird von den meisten Menschen als kontinuierlicher Film wahrgenommen. Hunde sehen bei 60 Hz hingegen vermutlich rasch flimmernde Einzelbilder.

2. Empfindlichkeit auf Bewegung
Sowohl Hund und Katze als auch der Mensch nehmen sich bewegende Objekte besser wahr als stationäre. Das menschliche Auge hat bei heller Beleuchtung aufgrund der zapfenreichen Fovea (das ist auf der Netzhaut der Bereich des schärfsten Sehens) ein deutlich besseres Bewegungssehen als Hund und Katze. In der Dämmerung hingegen sind Hunde mit ihrem sehr großen peripheren Gesichtsfeld überlegen und sehr sensibel auf Bewegung. Stationäre Objekte werden eher ignoriert. Sobald sich etwas im Gesichtsfeld bewegt, wird es bemerkt und möglicherweise reflexartig verfolgt.

3. Die Seh-Perspektive
Die perspektivische Wahrnehmung der Umgebung hängt sehr wesentlich vom Abstand der Augen des Beobachters zum Boden ab. Ein Umstand, der in der Natur mit unterschiedlich hoher Vegetation weitreichende Konsequenzen hat. Man betrachte folgende Perspektiven einer Situation im Freien, gesehen vom gleichen Standort, aber von unterschiedlichen Beobachtern mit unterschiedlichem Augen-Boden-Abstand.

4. Gesichtsfeld und räumliche Wahrnehmung
Als Gesichtsfeld bezeichnet man den sichtbaren Bereich des Raumes in Graden, welcher von einem auf einen Punkt fixierten Auge eingesehen werden kann. Die periphere Ausdehnung und die Überlappung der Sehfelder beider Augen sind beim Hund stark abhängig von der Rasse (Kopfform). Das Gesichtsfeld eines durchschnittlichen Hundes ist mit 250° im Vergleich zur Katze (200°) und dem Menschen (180°) sehr groß und ermöglicht es, den Horizont genau nach bewegten Objekten zu scannen. Man geht davon aus, dass Hunde dadurch wesentlich sensibler auf Bewegung in ihrem Umfeld sind als der Mensch. Ein Hund überblickt somit mit nur einem Auge einen Bereich von 150 Grad. Die binokulare Überlappung (das ist der Bereich des Sehfeldes, der von beiden Augen eingesehen wird ) dagegen ist beim Hund mit 30-60 Grad deutlich geringer als beim Menschen und bei der Katze mit jeweils 140° binokularem Sehen.

Unsere räumliche Wahrnehmung von Objekten hängt wesentlich von der Größe der Überlappung beider Gesichtsfelder ab. Eine Situation wird quasi von zwei unterschiedlichen Punkten aus wahrgenommen und im Gehirn zu einem Einzelbild zusammengefügt. So sind die räumliche Wahrnehmung von Objekten und das Abschätzen von Entfernungen möglich.

Die Tiefenwahrnehmung des Hundes ist am besten, wenn er geradeaus nach vorne schaut, und sie wird bei Hunden mit langen Nasen (Collie Typus) beim Betrachten von Gegenständen, die tiefer als der Horizont liegen, durch die Nase beeinträchtigt.

Durch das Wahrnehmen von Konturen, die relative Helligkeit von Gegenständen, das Spiel von Licht und Schatten und die parallaktische Verschiebung von Gegenständen bei Bewegungen des Kopfes ist auch ein räumliches Sehen mit nur einem Auge durchaus möglich.

Wie scharf sehen Hunde? Können sie auch kurz- oder weitsichtig sein? Können Hunde Farben sehen? Wenn ja, sehen sie die Farben so wie wir Menschen? Diese und andere Fragen beantwortet und erläutert der Experte Tierarzt Gerhard Fasching im nächsten WUFF im zweiten und letzten Teil dieses Artikels.


WUFF STELLT VOR


Der Autor

Tierarzt Gerhard Fasching ist seit 1996 Mitglied des Arbeitskreises Veterinärophtalmologie (AKVO)

– Info: www.augentierarzt.at

1993 bis 2005 war Tierarzt Fasching in der Tierklinik Wels tätig, seit Jänner 2006 in eigener Ordination („Tierarztpraxis – Grünbachplatz") in Wels. Die veterinärmedizinischen Schwerpunkte sind Opthalmologie und Kardiologie.
In Bezug auf die Ophtalmologie werden u.a. folgende Methoden angeboten:

– ESVO Zucht-Untersuchung auf erbliche Augenerkrankungen
– Hornhautchirurgie
– Linsenchirurgie – Kunstlinsenimplantation
– ERG – Ultraschall am Auge
– Infos: Tierarzt Gerhard Fasching, „Tierarztpraxis – Grünbachplatz"
4600 Wels, Grünbachplatz 5
Tel.: 07242/35 16 26
www.tierarztpraxisgruenbachplatz.at
fasching@reicom.at

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