Zwergpinscher – König unter den Kleinen

Von Anna Hitz

Sie wünschen sich einen richtig großen Hund im Kleinstformat? Ein Energiebündel mit Köpfchen? Eine vielseitige Sportskanone, die immer dabei sein möchte und überall Platz hat? Einen Wächter der unerwünschten aber auch erwünschten Gästen klarmacht, dass dieses Zuhause in sicheren Pfoten ist? Dann sollten Sie dem Zwergpinscher eine Chance geben, Ihr Herz im Sturm zu erobern.

Wer den Fehler begeht und denkt, diese vier bis sechs Kilogramm Hund können ­einfach in einer Handtasche versorgt werden, hat vergessen, dem Zwergpinscher tief in die Augen zu sehen. Denn so viel Feuereifer wünscht sich die Welt oder zumindest die unmittelbare Umgebung zu entdecken. Man will ja schließlich wissen, was da so los ist. Vielleicht könnte man es jagen, verbellen oder im Falle einer Maus ihr den Weg in die ewigen ­Maisfelder zeigen. Denn das war seit jeher eine Hauptaufgabe des Zwergs oder Mini Pins.

Das wusste auch Theodor ­Fontane, der in „Der Stechlin" schrieb: „Was ich meine, sind bloß Pinscher, die nebenher auch noch ‚Rattenfänger‘ heißen und es auch wirklich sind. Und mit einem solchen Rattenfänger auf die Jagd gehen, das ist eigentlich das Schönste, was es gibt."„Aber mit einem Pinscher kann man doch nicht auf die Jagd gehen!" „Doch, doch, meine gnädigste Frau. Als ich in Paris war, da bin ich mit runtergestiegen in die sogenannten Katakomben, hochgewölbte Kanäle, die sich unter der Erde hinziehen. Und diese Kanäle sind das wahre Ratten­eldorado; da sind sie zu Millionen. Oben drei Millionen Franzosen, unten drei Millionen Ratten. Und einmal, wie gesagt, bin ich da mit runtergeklettert und in einem Boote durch diese Unterwelt hingefahren, immer mitten in die Ratten hinein." „Grässlich, grässlich. Und sind Sie heil wieder rausgekommen?" „Im Ganzen, ja. Denn, ­meine gnädigste Frau, eigentlich war es doch ein Vergnügen. In unserm Kahn hatten wir nämlich zwei solche Rattenfänger, einen vorn und einen hinten. Und nun hätten Sie sehen ­sollen, wie das losging. ›Schnapp‹ und das Tier um die Ohren geschlagen, und tot war es. Und so weiter, so schnell wie Sie nur zählen können, und mitunter noch schneller."

Auch Mirjam Wyss, die seit 2011 unter dem Namen „Smart Gremlins" Zwergpinscher züchtet und seit 2008 mit ihnen im Hundesport anzutreffen ist, hat schon oft zugesehen, wie ihre Zwerge die kleinen Nager erlegen. „Aber das gehört zu diesen Hunden mit Köpfchen einfach dazu", findet sie.

Rassegeschichte
Über die Geschichte des Pinschers weiß man eher wenig. Er war der Hund der Fuhrknechte, auch bekannt als Stallpinscher, wie Hans Räber (Schweizer Kynologe und Buchautor) ausführt. Der heute glatthaarige Hund kam bis ans Ende des 19. Jahrhunderts auch in einer rauhaarigen Variante vor. Erst vor etwa 150 Jahren wurden diese Varietäten in die zwei Rassen Schnauzer und Pinscher aufgeteilt. Deshalb kamen dann auch nach dieser Trennung lange Zeit glatthaarige Pinscher in Schnauzer-Würfen zur Welt. Räber: „So umschreibt heute der Begriff „Pinscher" nicht mehr die Haartracht, sondern eher eine bestimmte Körperform, und zwar verstehen wir darunter einen kompakten, aber dennoch schnittigen, quadratisch gebauten Hund mit flachem ­Schädel, einem eher schwach, aber doch noch deutlich sichtbar markiertem Stopp und einem kräftigen, in einen stumpfen Keil auslaufenden Fang." Sie haben kurzes, glattes und hartes Haar und variieren in den Farben zwischen schwarz mit rostroten Abzeichen oder einfarbig rot. Wobei die Roten auch Rehpinscher genannt werden. ­Übrigens dürfen sie sowohl Steh- wie auch Kippohren tragen.

Dem Aussehen nach sind der Zwergpinscher, der Pinscher und der Dobermann derselbe Hund in verschiedenen Größen. Wobei der Zwergpinscher und der Pinscher vor dem Dobermann da und wahrscheinlich einmal derselbe Schlag waren. Dafür spricht, dass Beckmann 1895 den Pinscher als einen kleinen Hund beschreibt mit einem Gewicht zwischen 5 und 10 Kilogramm, was eher an die Größe des Zwergs erinnert. Trotz der offensichtlichen Gleichheit sind der Dobermann und der Zwergpinscher heute nicht mehr als sehr ferne Verwandte. Interessant zu wissen, dass mittel­große Pinscher mithalfen den Dobermann zu formen. „Und dass nach dem Zweiten Weltkrieg übergroße Zwergpinscher mithalfen, den ­Mittelschlagpinscher wieder auf die Beine zu bringen, ist aktenkundig", so Räber.

Auch erst im 19. Jahrhundert wurde aus dem uneinheitlichen Stallpinscher, der Mäuse und Ratten in Schach halten sollte, bewusst ein Rassehund gezüchtet. Wobei vielfach die Meinung vertreten wurde, dass der ausgestorbene Black-and-Tan-Terrier, der aus England auf den Kontinent kam, einen großen Einfluss auf den Pinscher gehabt haben soll. So hat Räber folgende Aufzeichnung vom Pinscher-Schnauzer-Klub bekommen: „Es dürfte schwerfallen festzustellen, ob unser kurzhaariger Pinscher zuerst in Deutschland gezüchtet wurde oder ob derselbe nur ein Nachkomme des alten englischen Black-Tan Terriers ist, dessen alte Stammform im Laufe der Zeit bei uns mehr oder weniger abgeändert wurde."

Auf jeden Fall war die Variante des Zwergpinschers von Zuchtbeginn an zahl- und farbenreich. So wurden ursprünglich die Farben Schwarz, Rehfarbig, Rot, Hirschrot, Gelb, ­Schokoladebraun, Pfeffersalz und Getigert beschrieben. Heute sind nur noch die Varianten Rot und Schwarzrot zulässig. Leider ist auch die Zuchtgeschichte des Mini Pins nicht ohne den Hang zur Verzwergung zu lesen. Der Drang, den Hund in die kleinstmögliche Form zu pressen, dauerte bis in die 60er Jahre an und hätte die Zwerpinscher fast zugrunde gerichtet. Hunde mit 20 Zentimeter Widerristhöhe, Apfelköpfchen, bleistiftdünnen Beinchen, haarlosen Ohren und schütterem Fell können für niemanden und am allerwenigsten für sich selber eine Freude sein. Von der Gesundheit ganz zu schweigen. Josef Berta (Richter, Züchter und Mitbegründer des deutschen Pinscher- und Schnauzer Klubs), sowie skandinavische und holländische Züchter arbeiteten jedoch gegen den Nanismus an und züchteten bewusst immer Hunde mit einer ­Schulterhöhe von mindestens 28 Zentimetern. Denn wie es der Züchter Walter formulierte: „Der Zwergpinscher soll zwar immer noch ein Zwerg, aber ein Gebrauchshund sein, der seinen Herrn bei Wind und Wetter begleiten kann." Erst 1956 wurde der Verzwergung des Mini Pins ein Riegel vorgeschoben und eine Mindestgröße von 25 Zentimetern im Rassestandard aufge­nommen.

Hobbys
Umso schöner zu sehen, dass die Armada von Frauen, die den Zwergpinscher in Handtaschen verbannt haben wollte, dem ehemaligen Haus- und Hofhund zuletzt doch nicht nehmen konnte, was ihn ausmacht. Und noch schöner, dass heute eine Generation sportlicher und begeisterter Hundefreunde zeigt was der Zwerg auf dem Hundeplatz in Sachen Agility, Obedience, Dogdance, Frisbee und Trickdog zu bieten hat. „Als mein Mann mit unseren Kleinen Hunde-Biathlon anfing, wurde er sogar von den Speakern mit spitzen Kommentaren begrüßt. Als sie dann aber auf dem Podest zuoberst standen, traute so mancher Hundeführer seinen Augen nicht", erzählt Mirjam Wyss schmunzelnd. „Aber die Zwerge haben die 9 Kilometer in gestrecktem Galopp durchgezogen, während die großen Rassen auf den letzten Kilometern nur noch im Trab vorankommen. In Finnland und Tschechien ist das anders", erklärt sie weiter, „Dort sind die Zwergpinscher gerade im Hunde­sport sehr beliebt. Nur in Deutschland und der Schweiz fällt es den Leuten schwer zu glauben, dass kleine Hunde unglaublich intelligent sind."

So mancher Hundetrainer kommt da ins Staunen, wenn diese ­kleinen Energiebündel die Übungen mit rasantem Tempo lernen und mit Elan präsentieren. Denn alles, was der Zwergpinscher einmal gelernt hat, sitzt, und das will hund, dem nicht ganz bescheidenen Ego zuliebe, auch präsentieren. Was sie so nebenbei auch zu hervorragenden Ausstellungs­hunden macht, die mit ihrem eleganten Trab die Richter um die Pfoten wickeln. Aber auch zum Trüffelsuchen, Fährten oder für eine Karriere beim Film erfüllen diese kleinen Rampensäue alle Voraussetzungen. Denn im Gegensatz zu einem Trüffelschwein wollen sie den kulinarischen Leckerbissen gar nicht für sich selber. Und als waschechte Diven stehlen sie dem einen oder anderen mensch­lichen Darsteller problemlos die Show. Zumindest hat es in der Schweiz die Hündin „Ellwood’s Red Highspeedgirl" in die Tierfilmagentur geschafft und wartet nun darauf, ihr Talent der Welt zu präsentieren. Wollen Sie Ihre Zeit eher nicht auf dem Hundeplatz verbringen? Kein Problem. Sie können Ihren Zwerg auch im Alltag mitdenken lassen. Nur, tun Sie es! Wenn Sie ihm beibringen, dass Zusammenarbeit wirklich toll ist, haben Sie einen herrlichen Begleiter, der problemlos mit dem Auto, der Straßenbahn oder zu Fuß die Welt erobert.

Erziehung möglich
So viel Elan will gebündelt sein, außer man hat Freude an dauerkläffenden Hunden, die ihre Meinung auch mit den Zähnen kundtun und so ganz nebenbei den Chefsessel erobern. Doch glücklicherweise sollte, dank moderner und positiver Erziehungsmethoden, dieses Problem Schnee von gestern sein. Außerdem gehört die tägliche Auslastung durch abwechslungsreiche und ausgiebige Spaziergänge, gepaart mit Kopfarbeit und standhaften Kausachen bei einem Zwergpinscher einfach dazu. Denn wer diesem gewieften Hund keine „Arbeit" bietet, muss sich nicht wundern, wenn der Garten einer Mondlandschaft gleicht, die Tischbeine neuerdings reich mit Bissspuren verziert sind oder die Freunde immer seltener zu Besuch kommen, weil sie Herrchen oder Frauchen gar nicht mehr begrüßen dürfen. Das sind alles keine Anzeichen für einen schlechten Hund, sondern einen zu Tode gelangweilten vierbeinigen Einstein, der sich halt die Zeit vertreibt und dem man vergessen hat ein wichtiges Wort, das bei dieser Rasse mit Großbuchstaben geschrieben werden sollte, beizubringen: Erziehung.

Wer sich also einen Zwergpinscher anlacht, tut gut daran eine größere Portion Köpfchen, ­Durchhaltewillen und Humor mitzubringen, um ­diesem frühreifen Angeber mit einem ­Augenzwinkern gewachsen zu sein. Der Zwerg war eben einmal ein erfolg­reicher Rattenjäger und dafür braucht es Intelligenz und eine hohe Lernbereitschaft. Aber auch Mut, Forschheit, strategisches Denken und eine große Portion Durchhaltevermögen machen einen brauchbaren Stallhund aus. Wunderbare Eigenschaften, die es einem Hund auch im Kleinstformat ermöglichen, sich in einer zunehmend komplizierten Welt zurechtzufinden und Sie gutgelaunt durch Stadt und Land zu begleiten. Ach ja, versuchen Sie gar nicht erst diesen Hund mit Gewalt zu erziehen. Sie werden ihn auf immer verlieren. Das Zauberwort heißt Konsequenz vom ersten Tag an, von Ihrer Seite. Denn keine Angst, dieser Zwerg wird sich auch konsequent Schabernack ausdenken.

Besonderheiten
Man muss aber auch sagen, dass ihr Entdeckerdrang rapide abnimmt, wenn Temperaturen oder Regen ­fallen. Trotzdem oder gerade ­deswegen sollte man die Zwerge von Klein auf an Schlechtwetter­tage gewöhnen und bei jedem Wetter ordentliche ­Runden mit ihnen drehen. Gut sitzende Hunde­mäntel sind sicher von Vorteil, gerade auch bei Temperaturen unter Null. Denn Zwergpinscher haben keine wärmende Unterwolle und kühlen deshalb rasch aus, was zu muskulärer Verspannung, Rücken- oder Blasen­problemen führen kann. Auch ist beim Welpen und Junghund daran zu denken, dass, wie bei vielen kleinen Hunden, die Knochen noch sehr fein sind und dementsprechend leicht brechen. Also muss man, seinem überschäumenden Temperament zuliebe, umsichtig mit ihm umgehen.

Kinder liebt der Zwergpinscher und Kinder lieben ihn. Trotzdem sollte man auch hier darauf achten, dass beide Seiten, um der Liebe willen, lernen aufeinander Rücksicht zu nehmen. Auch kleine Hunde verdienen es, dass man sie respektiert und nicht mit ihnen macht, was man will. Denn sonst muss man sich nicht wundern, wenn aus dem Spiel für den Hund plötzlich Ernst wird und er anfängt nach Kindern und Erwachsenen zu schnappen. Spätestens dann ist der Spaß für alle vorbei.

Pflege
Der Zwergpinscher ist ein robuster und pflegeleichter Hund, den man hin und wieder abbürsten oder mit einem Tuch abreiben sollte. Außerdem spart man sich den Besuch beim Hunde­friseur. Schmutz bringt er mit seinem kurzen Fell wenig hinein, weshalb er sich, bei genügend Auslastung, auch gut für eine Wohnung eignet. Man sollte immer wieder die Krallen und Zähne kontrollieren. Erstere regelmäßig schneiden und letztere täglich putzen oder zumindest mit Kausachen pflegen.

Gesundheitliche Probleme kennt diese Rasse wenige. Ohrrandnekrose ist ein bekanntes Problem und auch die Schablonenkrankheit kommt vor. Bitte unterstützen Sie die Gesundheit der Hunde, indem Sie Ihren Welpen bei einem seriösen Züchter kaufen, der seine Hunde körperlich und mental fordert und sehr genau auf ihre Gesundheit achtet. Natürlich beginnt auch ein großer Teil der Gesundheit bei Ihnen. Achten Sie also bitte auf hochwertiges Futter, immer frisches Wasser, viel Bewegung, geistige Auslastung, einen warmen, geschützten Schlafplatz und Liebe.

Wer diese Punkte erfüllt und dem Zwerg das Einmaleins des guten Benehmens beibringt, bekommt einen fröhlichen Begleiter für alle Lebenslagen, der so manchen Hundetrainer oder Kleinhundebelächler mehr als einmal überraschen wird.

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