Maulkorb- & Leinenzwang

Von Kristina Ziemer-Falke

Fluch und Segen zugleich

Hundehalter und Nicht-Hundehalter haben einen gemeinsamen Diskussionspunkt. Dabei geht es nicht um die Frage, ob mit oder ohne Hund, sondern vielmehr um die Sinnhaftigkeit eines Maulkorbes. Der Maulkorb – und ein oft damit verbundener Leinenzwang – ist für viele Hundehalter ein rotes Tuch und bedeutet aus deren Wahrnehmung Einschränkungen in der Bewegung und der Kommunikation des Hundes, ebenso belastet er sehr das öffentliche Vorurteil, einen vermeintlich aggressiven Hund zu haben. Ein Nicht-Hundehalter, aber auch viele Hundehalter freuen sich hingegen darüber, dass es Hilfsmittel wie Maulkörbe gibt, die den Hund, als auch die Öffentlichkeit selbst schützen können. Bereits hier ist erkennbar, dass es keine eindeutige Marschrichtung gibt, sondern wir den Maulkorb aus verschiedenen Winkeln betrachten sollten. Legen wir los …

Der Sicherheitsaspekt

Langfristige Maßnahmen
Schnell lernt jeder: Sicherheit geht vor. Das gilt auch im Umgang mit Hunden, sei es die eigene Sicherheit, die der Öffentlichkeit oder die des eigenen Hundes. Stellt ein Hund eine mögliche Gefahr dar, so gibt es oft durch das zuständige Veterinäramt eine Auflage, dass der Hund zum Schutz der Öffentlichkeit einen Maulkorb tragen muss. Dies sind meist langfristige Maßnahmen, so dass ein Hund, teilweise auch lebenslänglich, mit einem Maulkorb in der Öffentlichkeit zu führen ist. Hier kann sich sicher jeder vorstellen, dass dies Zündstoff für Diskussionen ist. Gerade wenn der Hund aufgrund seiner Hunderasse dazu »verdonnert« wurde und nicht aufgrund seines Verhaltens, stoßen diese Verordnungen oft auf Widerstand und Widerspruch. Das Thema »Gefährlichkeit bei Hunden verschiedener Rassen« wird wohl auch in den nächsten Jahren kontrovers diskutiert und einzelne Bundesländer – und somit auch die Politik – gehen unterschiedlich damit um.

Bleibt nur, dass wir das Beste daraus machen, um es dem Hund, trotz Maulkorb, so angenehm wie möglich zu machen. Hundehalter dieser »Langzeitkandidaten« können:

• Ihrem Hund einen individuellen Maulkorb anfertigen lassen. Die Passform sollte für den Hund angenehm und leicht zu tragen sein. Er sollte ungehindert atmen und hecheln, als auch problemlos durch den Maulkorb trinken können. Stimmt die Passform nämlich nicht und der Hund erleidet Schmerz, Leid oder Schäden, so ist dies ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz.
• Ein Maulkorb sollte antrainiert werden. Der Hund soll ihn GERNE tragen. Andernfalls stresst der Maulkorb den Hund. Dies führt – gerade beim andauernden Tragen – zu einem erhöhten Stresspegel. Der Cortisolwert im Körper des Hundes erhöht sich und die Bereitschaft des Hundes, in stressigen Situationen mit Aggressionen zu reagieren, steigt. Das wäre aber nun genau kontraproduktiv zu dem, was eigentlich erreicht werden soll. Schließlich sollen Konflikte vermieden werden und nicht latent gefördert.
• Am besten ist der Maulkorb auch noch »unauffällig«.

Das in zweierlei Hinsicht:
o Hunde brauchen Sozialkontakte – zu Menschen und zu Artgenossen. Sie müssen dazu aber mit diesen kommunizieren. Wie man weiß, gehören zur Kommunikation immer (mindestens) zwei Partner. Kommunizieren geht aber »politisch korrekt« nur, wenn sie auch ihre Mimik und ihr Display einsetzen können. Viele Hunde haben Schwierigkeiten, dies mit einem Maulkorb im Gesicht zu tun. Hunde kommunizieren sehr subtil und für den Menschen oft nicht erkennbar. Durch den Maulkorb wird ein kommunikativer Teil eben auch entfallen, das zu Missverständnissen führen kann. Folglich beißt sich die Katze auch mal selbst in den Schwanz … Auch hier wäre eine gut gemeinte Empfehlung, einen Maulkorb auf die Gesichtszüge anpassen zu lassen, um dem Hund Kommunikationsfreiraum zu geben im äußeren Ausdrucksverhalten. Es gibt vereinzelt Firmen, die sich darauf spezialisiert haben.
o Weiterhin ist »unauffällig« schön, da viele Menschen, die einen Maulkorb auf einer Hundeschnauze sehen, einen großen Bogen um das Halter-Hund-Maulkorb-Gespann machen. Dies kann bei einigen Teams sinnvoll sein, bei einigen aber auch nicht. Viele Hundehalter, die einen Maulkorb »verordnet« bekommen haben, fühlen sich nicht glücklich damit, andere Menschen und Hunde nur noch auf der anderen Straßenseite zu sehen. Sozialkontakte werden weniger und viele Hundehalter beschreiben, dass sie sich »aussätzig« fühlen.

Für Hunde, die einen Maulkorb nur aufgrund ihrer Rassezugehörigkeit »verschrieben« bekommen, ist es also ein hoher Preis, der gezahlt werden muss, wenn es beim Tragen zwackt und wackelt. Und selbst vermeintlich gefährliche oder bissige Hunde zahlen diesen Preis mit – was ihre persönliche Situation nicht verbessert. Die Hunde lernen durch einen Maulkorb nicht, was sie in Zukunft besser machen können.

Problemhunde durch generellen Maulkorbzwang vorprogrammiert?
Schwierig wird es auch, wenn Hunde schon mal präventiv ab dem Welpenalter dauerhaft in der Öffentlichkeit einen Maulkorb tragen sollen, gerade während der sozial sensiblen Phase, also der Phase, in der sie die Sozialisation mit Artgenossen erstmalig richtig ausführlich lernen können, inklusive der so wichtigen Beißhemmung, die Hunde erlernen müssen, um eben am Ende souveräne und »gesellschaftsfähige« Hunde zu sein, die sich prima integrieren, eine gute Kinder- und Hundestube hatten und respektvoll mit Menschen und Artgenossen umgehen. Man merkt, dass hier eigentlich das Drumherum optimiert werden sollte, denn sonst können Probleme entstehen, die sonst vielleicht gar nicht entstehen würden …

Nicht, dass wir uns an dieser Stelle missverstehen. Es geht hier nicht darum, zu sagen, dass Maulkörbe generell schlecht oder gut sind, vielmehr geht es darum zu beachten, welche Konsequenz ein (dauerhaftes) Tragen eines Maulkorbs auf das Verhalten eines Hundes haben kann.

Schön wäre es, wenn es Regelungen gäbe, die die Individualität des Hundes beachten, und langfristige Trainingsprogramme, dass Hunde, die nicht gefährlich sind, auch eine Chance haben durch ein modernes Training den Maulkorb wieder los zu werden – und zwar unter Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit, denn natürlich darf diese nicht gefährdet werden.

Temporäre Maßnahmen
Viele Hundeschulen empfehlen, dass ein Hund präventiv an einen Maulkorb gewöhnt werden sollte, wenn der Hund beispielsweise in öffentlichen Verkehrsmitteln geführt werden soll. Dort gibt es – je nach Gesetzeslage – die Pflicht, einen Maulkorb dabei zu haben bzw. seinem Hund anzulegen. Auch in vielen Tierarztpraxen gehören Maulkörbe in verschiedenen Größen zum Equipment und müssen bei dem einen oder anderen Hund – sei er auch sonst so lieb – benutzt werden.

Hierbei handelt es sich auch um Sicherheitsmaßnahmen, die jedoch zeitlich begrenzt angewendet werden. Oft stehen versicherungsrechtliche Bestimmungen dahinter. Auch hier gehen die Meinungen auseinander. Gerade, wenn man weiß, dass sein Hund »einfach nur toll« ist und kein Interesse daran hat, Terror in der Öffentlichkeit zu verbreiten, empfindet man diese Maßnahmen vielleicht als übertrieben, ein Tierarzt, der seine Hand zum Arbeiten jedoch einsatzfähig benötigt, eher als notwendig. Die Sicht des Betrachters bleibt daher subjektiv. Und wahrscheinlich können Sie sich als Leser in beide Personenkreise hineinversetzen. Jeder Hundehalter wird im Laufe eines hoffentlich sehr langen Hundelebens das eine oder andere Mal in die Situation kommen, dass sein Hund einen Maulkorb kurzzeitig nutzen muss. Allein schon vielleicht aufgrund der oben genannten Beispiele. Dabei können folgende Punkte beachtet werden:

• Auch, wenn es nur kurz ist: Ein Maulkorb sollte positiv antrainiert werden. Im besten Fall sieht der Hund das Anziehen als gemeinsames Spiel an und trägt den Maulkorb gerne.
• Selbst für kurze Momente bitte kein Hau-Ruck-Verfahren anwenden. Spielerisch und im Tempo des Hundes sollte der Maulkorb antrainiert werden.
• Halten Sie selbst gute Laune dabei, wenn der Hund den Maulkorb trägt. Wenn Ihr Herz dabei blutet, spürt Ihr Hund das sofort. Somit bekommt die ganze Aktion einen negativen Touch und Ihr Training würde geschmälert.

Nach einem Unfall kann ein Maulkorb den Menschen, die dem Hund helfen wollen, ebenso Sicherheit bieten. Denn gerade, wenn ein Hund verletzt ist, kann der Stresspegel sehr stark steigen und den Hund dazu veranlassen, um sich zu schnappen oder gar zu beißen – das kommt in den besten Familien vor. (Bedenken Sie einmal, wie wir Menschen reagieren, wenn es uns nicht gut geht. Da kann die Souveränität unter Umständen auch schon mal leiden.) Schließlich hat der Hund einen Schock oder sogar Schmerzen und möchte sich schützen. Gleicherweise nach Operationen oder kleineren Verletzungen kann ein Maulkorb den Hund vor sich selbst schützen. Letztlich möchte der Hund nur das Jucken der heilenden Wunde verhindern. Dies kann jedoch den Heilungsprozess stören und vielleicht sogar dadurch verlängern. In all diesen genannten Situationen gelten der Maulkorb und auch die Leine als Sicherheit für Mensch und Tier und nicht als Negativbeispiel, um die jeweiligen Mensch-Hund-Teams zu ärgern und zu beeinträchtigen.

Zum Schutz des Hundes
Ein anderer Aspekt ist die Gefahr der immer häufiger auftretenden Giftköder, insbesondere wenn ein Hund gerne Dinge vom Boden aufnimmt, die für ihn gefährlich werden könnten. Auch hier greifen viele Hundehalter auf Maulkörbe zurück, so dass ihr »Staubsauger« nicht alles aufnimmt und vor Menschen bzw. deren Giftköder geschützt wird. Diese Thematik hat in der letzten Zeit leider häufig zugenommen und viele Hundehalter besuchen Seminare zu dem Thema, wie sie das Aufnehmen von Giftködern bei ihrem Hund vermeiden können. Bis das zuverlässig funktioniert, nutzen viele gerne einen Maulkorb, damit sie auf der sicheren Seite sind.

Manche Hundeschulen haben sich auf Sozialisierungskurse spezialisiert. Sie arbeiten mit Hunden, die beispielsweise in der Vergangenheit ein Trauma erlebt haben und folglich mit aggressivem Verhalten reagieren, sollten sie mit Triggerpunkten konfrontiert werden. Das Ziel der Hundehalter ist, dass ihre Hunde wieder resozialisiert werden, oft im Umgang mit Artgenossen. Hierzu kommt es – je nach Technik – zu Zusammenführungen von Hunden. Das macht man meist mit einem »sozialen Erzieher«. Also einem zweiten Hund, der im Normalfall kein Problem mit Artgenossen hat. Dennoch lässt man die beiden Hunde nun nicht einfach zusammen, denn beide Hunde können Schaden erleiden.
Stattdessen werden beide (!) Hunde mit einem passenden (und zuvor antrainierten) Maulkorb ausgestattet. Somit sind die Bedingungen für beide identisch. Dies wäre nicht der Fall, wenn nur der zu resozialisierende Hund einen Maulkorb angelegt bekommt. Gibt es nämlich »Unstimmigkeiten im Team«, so könnte auch der soziale Erzieher theoretisch schnappen oder beißen. Der Hund mit dem Maulkorb könnte jedoch nicht kommunizieren.

Frauchen und Herrchen finden Maulkörbe toll …
Für viele Hundehalter, die beispielsweise einen leinenaggressiven Hund haben, ist jeder Spaziergang ein Spießrutenlauf. Viele warten auf den Erzfeind an der nächsten Ecke und prompt ist es auch so. Gestresst und mit viel Ärger gehen beide Parteien oft auseinander. Leinenprobleme werden oft lange mit sich herumgetragen und der Gang zum Hundetrainer auch das eine oder andere Mal hinausgezögert. Ist es dann aber soweit und man stellt sich der Herausforderung »entspannter Spaziergang«, so steht ein wochenlanges Training auf der Tagesordnung. Dabei drehen wir Hundetrainer oft an vielen Stellschrauben, denn das Verhalten der Leinenaggression hat – sehr spannend – oft mehrere Ursachen. Diese sind nicht per Knopfdruck behoben, sondern dauern auch das eine oder andere Mal etwas länger – und auch Rückschläge müssen eingeplant werden. Ein häufiger Grund ist, dass wir Trainer die Führungsqualitäten der Hundehalter etwas polieren und aufmotzen müssen, so dass der Hund langfristig lernt, sich auf den Halter verlassen zu können und nicht verlassen zu sein – und folglich selbst das Ruder übernimmt. Um die eine oder andere Katastrophe zu verhindern, nutzen einige Hundehalter für diese Übergangszeit einen Maulkorb für den Hund. Sie wissen, dass er nicht beißen kann. Allein diese Tatsache entspannt sie, so dass sie Spaziergänge stressfreier angehen können.

Training des Maulkorbs
Kommen wir damit zum nächsten Punkt: Die Akzeptanz des Maulkorbs. Da in den oben beschriebenen Situationen das Tragen eines Maulkorbs aus Sicherheitsgründen nicht vermieden werden kann, ist zuvor ein gut aufgebautes Training besonders wichtig. Nur wenn der Maulkorb als etwas Positives antrainiert wurde, kann der Hund locker und entspannt mit diesem Hilfsmittel umgehen.

Den Hund frühzeitig an den Maulkorb zu gewöhnen, ist ebenso sinnvoll wie nützlich. Denn gerade in der Welpenzeit kann das Maulkorbtraining sehr spielerisch gestaltet und somit dem Welpen sehr angenehm und entspannt beigebracht werden. So kann der Hund lernen, den Maulkorb als normal zu empfinden und nicht als etwas Gefährliches oder Bedrückendes. Wichtig ist natürlich auch die richtige Passform, sodass der Hund noch genügend Platz hat beim Tragen. Er muss in der Lage sein, Wasser aufnehmen zu können, sowie das eine oder andere Leckerchen. Zusätzlich muss der Hund hecheln können. Beim Training sollte besser in kleinen Schritten und geduldig vorgegangen werden. Heißt also, je früher und ohne Zeitdruck trainiert werden kann, umso entspannter und positiver für Hund und Halter. Am besten trainieren Sie dies mit einem Hundetrainer, da er Ihnen behilflich sein kann – nicht nur beim reinen positiven Training, sondern auch beim Anpassen des perfekten Maulkorbs für Ihren Hund.

Die Kehrseite des Maulkorbs
Stellen wir jetzt den oben genannten Punkten die andere Seite des Maulkorbs gegenüber, wird er oft als lästig und unangenehm wahrgenommen. So kann der eine oder andere Hundehalter das Handling im Alltag mit dem Maulkorb als schwer erachten, gerade bei mehreren Hunden. Aber nicht nur das Handling selbst, sondern auch die Kommunikation unter den Hunden kann durch die unsachgemäße Benutzung der Leine eingeschränkt werden. Erkennt der Hundehalter mögliche Stressanzeichen seines Hundes nicht bei Hundebegegnungen und will der Hund aus der Situation raus, wird er durch die Leine sehr stark begrenzt und muss sich eine andere Taktik überlegen. Reagiert der Hundehalter dann noch mit der Leine, können sich sehr schnell nicht erwünschte Verhaltensweisen entwickeln und auch festigen.

Bei dem Maulkorb ist es in der Öffentlichkeit meist noch viel unangenehmer für den jeweiligen Hundehalter. Die vermeintlichen Blicke anderer Hundehalter oder aber auch von Nichthundehaltern, die mehrheitlich mit Skepsis oder teils Unsicherheit auf den Maulkorb tragenden Hund schauen. Schnell sind Vorurteile geknüpft und ein gefährlicher Hund wird mit dem Maulkorb assoziiert. Ist Ihr Hund Maulkorbträger, stehen Sie hinter Ihrem Hund. Sie müssen sich nicht mit einem Maulkorb verstecken. Sie müssen sich auch nicht rechtfertigen. Akzeptieren Sie Ihren Hund genauso, wie er ist. Das hilft am meisten, wenn Sie und Ihr Hund sich mit einem Maulkorb »anfreunden müssen«.

Unterwegs

Auch beim Verreisen ins Ausland sollte sich jeder Hundehalter vorher erkundigen, wo und wann ein Maulkorb getragen oder mitgeführt werden muss. Selbst beim Bereisen anderer Bundesländer kann eine Maulkorbpflicht bestehen, speziell für manche Hunderassen.

Pdf zu diesem Artikel: maulkorb_leinenzwang

 

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