Pit Bull Terrier

Von Gerald Pötz

Der American Pit Bull Terrier gilt vielen als eine der am meisten geschundenen Rassen ­überhaupt. Doch wer kennt schon die Wahrheit über diese Rasse? Wer je einen Hund dieser
Rasse gehabt hat, kommt nie mehr von ihr los, heißt es. Pit Bulls haben eine ganz eigene Art,
die Herzen ihrer Menschen zu erobern. All jenen, die diesen Hund nicht kennen, möchte ich ihn mit diesem persönlichen Porträt vorstellen.

Der Pit Bull Terrier, früher für illegale Hundekämpfe missbraucht, heute als Sündenbock für Politik und Medien. Und überhaupt – jedem Hund, der die Silbe „Bull“ in seinem Namen trägt, wird heute automatisch Bösartigkeit unterstellt. Zumindest tun dies – populistische – ­Politiker, die entgegen jeder wissenschaftlichen Erkenntnis (und da gibt es bereits viele Studien dazu!) Rassen wie den Staffordshire Bull Terrier oder eben auch den Pit Bull Terrier auf sog. Rasselisten setzen. Nicht selten bedeutet dies den Tod des Hundes oder eine lebenslange Inhaftierung im letzten Eckzwinger eines Tierheims oder „Auffanglagers“. Vierbeinige Familienmitglieder werden heute beschlagnahmt und weggesperrt, dies nur aufgrund ihrer Rasse.

Harte Schale, weicher Kern
Ein Bodybuilder mit strengem Blick wird selten Sympathien erwecken. Doch wenn man hinter die Fassade blickt, findet man meist ein weiches und großes Herz mit einem liebevollen Charakter. Genau das trifft auch auf den Pit Bull Terrier zu. Leider haben viele Menschen die Gabe verloren, auf innere Werte zu achten. Oder es ist einfach nur eine praktische Ignoranz, damit man sich nicht näher mit gewissen Themen auseinandersetzen muss.

Menschenfreund
Ich behaupte, dass Pit Bull Terrier die freundlichsten Hunde von allen sind. Selbst nach Misshandlungen oder einem jahrelangen Tierheimaufenthalt begegnen diese Hunde jedem Menschen freundlich und offen. Sie fragen sich, woher diese bedingungslose Freundlichkeit gegenüber Menschen kommt? In der düsteren Vergangenheit bei den illegalen Hundekämpfen mussten diese Hunde stets – auch während eines Kampfes – zu den Menschen bedingungslos freundlich sein. Wenn ein Hund sich damals auch nur ansatzweise auch gegen einen Menschen gerichtet hat, wurde er in der Regel sofort getötet, weil er nicht mehr zu gebrauchen war. Dadurch wurden diese Hunde – ­unbewusst – auf Menschenfreundlichkeit selektiert, so wie Jagdhunde auf ihre Jagdpassion selektiert werden. Umso unverständlicher ist es, dass genau diese Hunde heute verteufelt und als Bestien hingestellt werden. Fast jeder Tierarzt wird ihnen bestätigen, dass ihm diese Hunde oft die liebsten Patienten sind, wegen Ihrer überschwänglichen Freundlichkeit.

Der Pit Bull Terrier und andere Hunde
Unbestritten ist, dass der Pit Bull Terrier nicht gerade zu den sozial­verträglichsten Hunden gegenüber Artgenossen zählt. Jedoch unterscheidet er sich da nicht von manch anderen Hunden und vor allem nicht von den Hunden der Gebrauchs­­hunderassen. Beim Zusammentreffen von zwei gleichgeschlechtlichen Hunden ergibt sich häufig – und dies rasseunabhängig – ein gewisses Aggressionspotenzial. Dies ist ein normales hundliches Verhalten, und solche problematischen Hundebegegnungen müssen von einem fähigen Hundehalter kontrolliert werden. Im Übrigen sind so gut wie alle Beißunfälle, bei denen Pit Bulls involviert sind, einfach Hunde­raufereien, bei denen die Hundehalter dazwischen gehen und – vorhersehbar – im Gewühl einen Biss abbekommen. Dabei handelt es sich fast nie um eine gegen den Menschen gerichtete Aggression. Auch wenn Medien dies uns immer so weismachen wollen.

Ein Teufelskreis
Leider ist es so, dass Hunde mit einem schlechten Image oft einen bestimmten Personenkreis anziehen. Leute, die sich mit einem „bedrohlich“ aussehenden Hund schmücken bzw. schützen wollen, aber nicht in der Lage sind, einen starken Hund ordentlich zu führen. Oder haben Sie schon mal einen kahlköpfigen, Tarnfleckhosen tragenden Menschen mit einem Pudel gesehen? Gestern war es der Bull Terrier, heute ist es der Pit Bull und morgen sind es eben Kangal & Co., mit denen sich diese Leute ­schmücken. Bis irgendwann alle Rassen auf den beliebten „Wählerstimmen-Maxi­mierungs-Listen“ der Politiker ­stehen. Das Gefährliche sind also nicht ­einzelne Rassen, sondern bedenkliche Mensch-Hund-Gespanne, die man jedoch mit Rasseverboten nicht in den Griff bekommen kann.

Geschichte
In den 1930-ern wurde der Verwandte des Pit Bull Terriers, der American Staffordshire Terrier vom American Kennel Club anerkannt, was dem Pit Bull jedoch verwehrt blieb. Zunächst wurde seine Zucht durch den United Kennel Club überwacht und später von der American Dog Breeders ­Association, wo er heute noch betreut wird. Von der FCI (Fédération ­Cynologique Internationale) ist der Pit Bull Terrier nach wie vor nicht anerkannt. Das war’s schon mit Geschichte, weil ich denke, dass seine Gegenwart und Zukunft wesentlich wichtiger sind als die Vergangenheit.

Landläufig wird in Europa alles und jedes als Pit Bull deklariert, was irgendwie „pittig“ und muskulös aussieht. Selbst 40-Kilo Pits sind keine Seltenheit, wobei ein echter Pit Bull nie und nimmer über 30 Kilo wiegt, meist sogar unter 25. Der Pit Bull ist eine praktische Schublade, in die man sämtliche Bullrassen-Mischlinge stopfen kann, die keiner zuordnen kann. Einen echten Pit Bull, wie er im Buche steht, sieht man kaum auf unseren Straßen. Nur wenigen echten Rasse­kennern ist es überhaupt möglich, einen Pit Bull von beispielsweise einem American Stafford zu unterscheiden. Grob gesagt, ist der Pit Bull Terrier ein leichterer und drahtigerer Typ als der Stafford und bringt auch weit­­ ­weniger Gewicht auf die Waage. Für mich persönlich unterscheiden sich auch die Gesichtsausdrücke dieser beiden ­Rassen, aber das ist subjektiv.

Zu wem passt er?
Diese Frage ist in meinen Augen eine der wichtigsten. Wie schon zuvor geschrieben, sind in meinen Augen die falschen Mensch-Hund-Gespanne die Gefahr – und nicht einzelne ­Rassen. Der Pit Bull Terrier ist bei einem souveränen und selbstsicheren Hundehalter, der viel Zeit, Liebe und Konsequenz aufbringt, gut aufgehoben. Für Jugendliche, die selber mitten in der „Prägephase“ stecken und mit sich selber beschäftigt sind, ist der Pit Bull Terrier genau der falsche Hund. Der Pit Bull ist zwar für jeden Spaß zu haben und immer gern dabei, aber er ist kein „Mitläuferhund“, der auch mal ohne besondere Beachtung neben einem herdackelt. Ein Pit Bull Terrier braucht ständig Aufmerksamkeit und muss konsequent geführt werden. Ein sich selbst überlassener Pit Bull Terrier hat sehr viel Phantasie, wenn es z. B. um die „Umgestaltung“ der Wohnung geht, während er allein ist. Er ist auch ganz sicher kein Hund zum täglich 8 Stunden allein Bleiben. Der ­heute klassische „Problem-Pit Bull“ hat 50 Euro gekostet, stammt aus einer Tierhandlung oder aus dem Kofferraum und ist durch zahlreiche Hände gewandert, bis er schlussendlich im Tierheim landet.

Freizeit mit dem Pit Bull
Den Pit Bull Terrier scheinen hängende, gerade noch erreichbare Gegenstände magisch anzuziehen. So sieht man nicht selten einen Pit Bull an einem Ast hängen. Oder Autoreifen Herumtragen ist für ihn etwas ganz Tolles. Nicht zu vergessen ist der Kampf mit dem Gartenschlauch. Pit Bulls sind lustige und einfallsreiche Hunde, die aber auch ausgelastet werden müssen. Im Prinzip kann man mit ihm alles machen, angefangen von Nasenarbeit über Agility, Gebrauchshundesport bis hin zum rasse­typischen Gewichtziehen. In dieser Disziplin ist der Pit Bull ganz groß. Hier kann er seine Kraft und seinen Willen unter Beweis stellen.

Zum Nachdenken
Ich persönlich glaube allerdings, dass die Zeit für diese Hunde (und auch andere Rassen) abgelaufen ist. Es ist wie mit den Dinosauriern: wenn auf unserem Planeten kein Platz mehr für bestimmte Lebewesen ist, sterben sie eben aus. Warum sollte dieses Prinzip nicht auch Hunderassen betreffen? Ich werde das hoffentlich nicht mehr erleben, aber irgendwann wird es vermutlich gar keine großen Hunde mehr geben, oder man muss ihnen per Gesetz die Zähne wegzüchten. Dennoch lohnt es sich, für diese liebens­werten Geschöpfe zu kämpfen. So sehr ich diese Hunde auch liebe, stelle ich mir die Frage, ob es für sie nicht besser wäre, wenn es sie gar nicht mehr gäbe. Dann müsste nicht die Hälfte von ihnen – oder mehr – ihr Leben in Tierheimzwingern ver­bringen. Das haben sie ganz bestimmt nicht verdient.

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