Nicht Hund, nicht Wolf: Mischlinge sorgen in Thüringen für Streit

Von Monica Sterle

Tiere sollen aus der Natur verschwinden (Von Marie Frech/dpa)

Erfurt (APA/dpa) – Jäger bekommen Morddrohungen, Tausende Menschen unterschreiben eine Petition. In den Medien, im Landtag, auf der Arbeit und unter Freunden wird teils mit aggressivem Unterton diskutiert. Was ist da los in im deutschen Freistaat Thüringen? Sechs junge Vierbeiner – halb Wolf, halb Hund – sorgen für Streit. Sie sind gerade einmal fünf Monate alt. Trotzdem wird schon über ihren Tod diskutiert.

Eine Wölfin hatte im ersten ausgewiesenen Wolfsgebiet Thüringens rund um den Bundeswehrübungsplatz Ohrdruf Nachwuchs bekommen. Auf Aufnahmen von Fotofallen waren die Jungen nach Angaben des Thüringer Umweltministeriums zweifelsfrei als Mischlinge identifiziert worden. Weil ihr Vater kein Wolf, sondern ein Haushund sein soll, werden die sechs Jungtiere nun zu einem Problem für den Artenschutz – und angeblich auch für den Menschen. Deshalb stehen sie nun potenziell auf der Abschussliste.

Wölfe breiten sich seit dem Jahr 2000 wieder in Deutschland aus. Laut Naturschutzbund Nabu gibt es in Deutschland vermutlich 61 Rudel mit jeweils sieben bis zehn Tieren und neun Paare in Deutschland. Sie kommen hauptsächlich in Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen vor. Wölfe stehen unter strengem Schutz. Dass sie sich mit Hunden paaren, ist extrem selten.

Tun sie es aber einmal doch, gefährdet die Vermischung der Wolf- und Hundegene nach Expertensicht aber die Wolfspopulation. Deshalb empfahl das bundeseigene Dokumentations- und Beratungszentrum zum Wolf (DBBW) dem Thüringer Umweltministerium ein schnelles Töten der Jungtiere, denen der Labrador-Vater durch das schwarze Fell auch anzusehen sein soll.

Der Aufschrei war groß. Weit über 10.000 Unterschriften haben Abschussgegner inzwischen mit einer Online-Petition gesammelt. Jäger aus der Ohrdrufer Umgebung berichten im Zusammenhang mit dem Fall über anonyme Morddrohungen gegen sie im Internet. Dabei ist der Abschuss noch keine beschlossene Sache – und schon gar nicht, ob dann Jäger diese Aufgabe übernehmen müssen.

Nach Auffassung des Umweltministeriums müssten die Jungtiere nicht zwangsläufig getötet werden. Sie sollten aber auf alle Fälle „entnommen“ werden, also aus der Natur verschwinden. Doch selbst Naturschützer halten Alternativen zu einem Abschuss für problematisch. „Einen Freilicht-Zoo mit Hybriden wollen wir nicht“, sagt Silvester Tamas, Sprecher der Landesarbeitsgruppe Wolf beim Nabu Thüringen. Der Naturschutzbund stelle sich hinter die Experten des DBBW. Es gehe dem Verband um Artenschutz und die Akzeptanz des Wolfs in Deutschland. Die Tiere einzufangen und in einem Gehege zu halten, sei keine tierschutzgerechte Alternative.

Tierrechtler halten das Argument des Artenschutzes insgesamt für vorgeschoben. Ein Abschuss sei nicht mit dem Tierschutzrecht zu vereinbaren, heißt es bei der Tierrechtsorganisation Peta. Die von der Organisation und Abschussgegnern vorgeschlagene Option, die Tiere zu sterilisieren und wieder freizulassen, löst aber ein weiteres Grundproblem nicht. „Niemand weiß so recht, wie sich die Mischlinge im Bezug auf Menschen verhalten werden – vor allem nicht nach einer Kastration oder Sterilisation“, berichtet der Sprecher des Thüringer Umweltministeriums, Tom Wetzling. Durch das Haushund-Gen könnten sie die Scheu vor Menschen verlieren. Dennoch blieben sie potenziell gefährliche Wildtiere.

Einig sind sich alle Seiten bei einem Punkt: Der Mensch habe die Hybriden erst möglich gemacht. „Wegen Zerschneidung der Landschaft durch Siedlungen und Autobahnen kann es anderen Wölfen schwerfallen, nach Ohrdruf zu kommen“, betont Nabu-Wolfsexperte Tamas. Aber auch den Hundebesitzern an Ort und Stelle werden Vorwürfe gemacht. Sie sollten ihre Vierbeiner besser kontrollieren, dürften sie im Wald nicht frei laufen lassen, monieren auch Jäger.

Über das Schicksal der Mischlinge muss letztlich die höchste Thüringer Naturschutzbehörde entscheiden. Das Landesverwaltungsamt muss nämlich das OK für einen wie auch immer gearteten Sonderantrag auf „Entnahme“ des Umweltministeriums bewilligen.

 

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