Molosser – Couchpotatoes oder doch richtige Hunde?

Von Liane Rauch

Mythen in der Hundewelt

Aristoteles schrieb in seiner „Historia Animalium“ im 4. Jahrhundert v. Christus: „In Molottien zeichnet sich die Hunderasse, die als Begleitung der Herden dient, durch die Größe und den Mut gegen die wilden Tiere … aus“. Molossoide Hunde dürften somit zu den ältesten Rassen der Welt gehören. Doch nur weil sie „alt“ sind, gehören sie noch lange nicht nur aufs Sofa.

Im Rahmen der Hundeschule bieten wir auch Rassenberatung vor der Anschaffung eines Hundes an. Im Zuge dieser Beratung muss ich immer wieder Gespräche mit Hundeinteressenten führen, die dem Mythos des „faulen Molossers“ aufsitzen. Aussagen wie „Wir haben uns für einen Bulldog entschieden, weil der meistens faul auf der Couch liegt“ oder „So ein Bullmastiff macht schon was her und braucht nicht viel Bewegung“ bekomme ich immer wieder zu hören. Sehr überrascht sind diese Leute dann, wenn Bulli-Baby keineswegs faul auf der Couch liegt, sondern wie ein auffrisierter Traktor durch die Wohnung randaliert, weil ihm langweilig ist. Oder wenn es dem Molosser nicht reicht, 5 Minuten um den Block geführt zu werden und sonst als Prestigeobjekt im Cabrio mitzufahren. Da hat das Cabrio in kürzester Zeit nicht nur kein Dach, sondern auch keine Sitze mehr.

Eine gute Portion Humor ist Voraussetzung bei der Arbeit mit Molossern
Georg Etzer über seinen Bullmastiff Angelo, 2 Jahre alt: „In erster Linie ist Angelo Familien-, Haus- und Hofhund, manchmal steht er mir auch Modell für meine Hundeskulpturen. Wir haben Ausstellungen besucht und im Sommer 2016 hat Angelo die Begleithundeprüfung beim ÖHV-Pongau bestanden. Sportliche Pläne in Richtung IPO haben wir aufgegeben, da Angelo dazu offensichtlich keine große Lust hatte. Unterordnungsübungen und Fährten macht ihm jedoch sehr großen Spaß. Bei Radtouren und Wanderungen ist er mit Begeisterung und guter Kondition dabei. Ich hoffe, ich kann ihn noch für „Wassersport“ begeistern. Schwimmen wäre für ihn optimal, jedoch achtet er im Moment noch sehr darauf, den Boden unter den Füßen nicht zu verlieren. Faul sind Molosser also definitiv nicht. Angelo ist zwar schon gerne gemütlich, doch spätestens im Spiel mit Artgenossen zeigt er sein ganzes Potenzial, man könnte den Eindruck gewinnen, dass anno dazumal das ein oder andere Panzernashorn eingekreuzt wurde. Molosser ist nicht gleich Molosser, dies gilt jedoch für JEDE RASSE. Es gibt sehr wohl agile Molosser, man muss sie nur finden, machen lassen und fördern. Manche dieser Rassen haben leider viele ihrer positiven Eigenschaften durch Überzüchtung eingebüßt. Zu groß, zu schwer, zu breit sind wohl eher die Gründe, die Vitalität, Leistungsfähigkeit, Ausdauer und Langlebigkeit negativ beeinflussen. Es stimmt nicht, dass man mit Molossern nichts machen kann. Eher das Gegenteil ist der Fall, würde ich sagen. Mit Molossern kann man alles machen. Voraussetzungen sind: kein falscher Ehrgeiz, viele Guttis und allem voran eine gute Portion Humor.“

Schäferhund, Herdenhund und Wachhund
Die Molosser waren ein Volk in Epirus (Griechenland/Albanien). Die Hunde der Molosser werden auf historischen Bildern als groß und spitzohrig dargestellt, wobei die kleinen, aufrecht stehenden Ohren sicher nicht angeboren waren, sondern durch Kupieren ent­standen. Verwendung fanden die Hunde in vielen Bereichen z.B. als Herdenhund, Schäferhund und Wachhund. Es waren vielseitig einsetzbare Allrounder, alles andere als faul und unbeweglich.

Dem ursprünglichen Zuchtziel folgend, durften Molosser also keineswegs faul, immobil, dumm oder lethargisch sein. Eher das Gegenteil ist der Fall. Der Herdenhund muss wach und aufmerksam sein, der Schäferhund Anweisungen genau befolgen können und der Wachhund sollte schlau genug sein zu wissen, wann Gefahr droht und wann nicht. Der Herkunft nach waren diese Rassen also agile, aufmerksame, starke und mutige Hunde, die Herden trieben und hüteten, ihren Herrn schützten und verteidigten. Der daraus resultierende Missbrauch als Kriegs- und Kampfhund zeigt die düstere Seite menschlichen Unvermögens.

Ausgeglichenheit und Souveränität wird mit Faulheit verwechselt
Bei Familie Luckert lebt Cane Corso Italiano-Hündin Leyla: „Leyla haben wir im Alter von 5 Monaten aus dem Tierschutz übernommen. Heute ist sie 1,5 Jahre alt, und wenn die Aussage stimmen würde, dass molossoide Hunde faul sind, schwindelt uns Leyla mit ihrer Rassezugehörigkeit an. Am Anfang sind wir es natürlich etwas ruhiger angegangen, Leyla sollte erst mal ankommen, uns und ihren Partner, den Rottweiler Buddy, kennen lernen. Inzwischen sind wir ein perfektes Team. Auf langen, ausgedehnten Spaziergängen, bei Wanderungen und beim Schwimmen zeigt uns Leyla täglich, dass sie richtig Power hat. Schließlich ist Leyla als Cane Corso so etwas wie der Porsche unter den Molossern. Wir haben mit ihr Fährtentraining angefangen, da sie dafür großes Talent gezeigt hat. Vom Leistungsvermögen, vom Körperbau und von ihrer Agilität her könnte ich mit ihr aber jede Sportart machen. Im April haben wir mit Leyla den sogenannten „Wesenstest“ gemacht, da wir in Bayern wohnen und der Cane Corso hier auf der Liste Kat. 2 steht. Bei der Behauptung, Molosser seien träge, denke ich eher, da wird Ausgeglichenheit und Souveränität mit Faulheit verwechselt. Ich hab‘ schon sehr viele erstaunte und ungläubige Gesichter gesehen von Leuten, die Leyla zum ersten Mal in Aktion gesehen haben. Ich gehöre da dazu, denn mein Denken über die faulen, trägen Molosser war mal ganz ähnlich. Mit ausdrücklicher Betonung auf WAR.“

Kann der was?
Wegen ihrer Größe und/oder ihres gedrungenen Körperbaus werden ­Molosser leider häufig unterschätzt. Die großen runden, dem ­„Kindchenschema“ entsprechenden Köpfe erwecken bei manchen Menschen offensichtlich den fälschlichen Eindruck, molossoide Hunde könnten oder wollten nichts lernen. Gut, für den Agility-Sport ist der Bulldog nun nicht so optimal geeignet, das heißt aber noch lange nicht, dass er nicht auch etwas lernen will und kann. Es gibt heute so viele ­unterschiedliche Möglichkeiten, Hunde sinnvoll zu ­beschäftigen.

Allem voran für den Molosser geeignet ist Fährtenarbeit, Mantrailen und/oder eine Rettungshundeausbildung. Auch bei ZOS (Zielobjektsuche) zeigen diese Rassen großes Talent. Longieren z.B. fordert von den Hunden Konzentration, Aufmerksamkeit, fördert die Bindung und kann optimal an die körperliche Leistungsfähigkeit der Hunde angepasst werden. Tricksen und Tanzen macht jedem Hund Spaß. Es muss nicht immer eine perfekte Rolle sein, und Dog Dance ist so breit gefächert, so dass für jeden Hund eine individuelle Choreographie gefunden werden kann.

Baldur lernt tanzen
Sophie Friedrich über ihren Bulldog Baldur: „Wir stehen noch am Anfang, Baldurs Grunderziehung ist noch nicht ganz abgeschlossen, er ist ja gerade mal 1 Jahr alt. Trotzdem möchte ich ihn ­zukünftig mit Spaß für Hund und Frauchen beschäftigen und auslasten. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, mit Baldur zu tanzen. Die ersten Schritte üben wir schon, und kleine Tricks wie „Hands up“, Pfötchen-geben und „Toter Hund“ kann er schon. Die Aussage, dass Molosser immer nur faul sind, ist für mich Quatsch. Ich habe den Bulldog so kennengelernt, dass er gerne aktiv und mittendrin dabei sein möchte. Für mich ist der Molosser absolut gelehrig und lernwillig und hat Spaß daran, neue Sachen zu lernen und neue Dinge zu erleben.“

Molosser – Couchpotatoes oder­ ­richtige Hunde?
Zurück zu den Molossern und Aristoteles. Als Begleiter und Beschützer der Herden hat er sie beschrieben. Große, agile, wache und aufmerksame Hunde, die auf Gefahren schnell reagieren können. Heute unterscheiden sich die Molosser nicht nur in der Haltung von denen aus der Antike, sondern auch im körperlichen Exterieur. Die „modernen“ Molosser haben nicht nur große Schwierigkeiten beim Atmen und mit den Augen, sondern leider auch viele Probleme mit dem Bewegungsapparat. Zu kurze, verkrüppelte Beine oder sie sind allgemein zu groß und zu schwer. Beim Decktermin der Hündin wird gleich der Termin für den Kaiserschnitt beim Tierarzt vereinbart, weil diese nicht mehr natürlich gebären kann. Wenn der Welpe abgeholt wird, steht der Termin für die erste Gaumensegel- und/oder Augen­operation schon fest.

Es wird höchste Zeit, dass in der Zucht umgedacht wird. Es kann nicht sein, dass offenen Auges Hunde gezüchtet werden, die schon vor der Geburt ihren OP Termin festgelegt haben. Es muss auch dringend noch mehr an die Käufer dieser Rassen appelliert werden. Die Käufer bestimmen durch ihre Nachfrage das Angebot. Suchen Sie sich Ihren Hund nicht nur nach extrem heraus gezüchteten Rasse­merkmalen aus. Legen Sie bitte mehr Augenmerk auf Beweglichkeit, Atmung und Gesundheit, nur dann können Sie viele Jahre mit Ihrem Hund genießen.

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