Der Deutsche Schäferhund als Ware – Zwischen Zucht und Handel, Profit und Provisionen

Von dogodu-Redaktion

Selten ist ein Fall, in dem ein Hund wie ein Stück Ware verschachert wird und alle beteiligten Menschen profitieren, so gut dokumentiert wie dieser. Es geht um den Deutschen Schäferhund Toni, der von ­seinem Züchter für 150.000 Euro nach China verschachert wird. Es geht um einen SV-Richter, der dafür zunächst fast die Hälfte als Provision kassiert und der sagt, dass es unter den Richtern des SV weit verbreitet sei, im Zusammenhang mit ­Hunden Geld zu kassieren. Und es geht um einen Verein, in dem selbst die Spitze bereits erkennen dürfte, dass nicht mehr der Deutsche Schäferhund im Mittelpunkt des SV steht. Einzelfall oder Sittenbild eines Vereins? Geht es wirklich nur mehr ums Kassieren?

Toni von der Rieser Perle, ein Deutscher Schäferhund, wird am 1.10.2008 in einer SV-Zuchtstätte in Oberbayern geboren. Sein Züchter ist Jürgen S., seit 30 Jahren ein so genannter „kleiner" Züchter im SV. Keiner, der über wichtige Kontakte verfügt, schon gar nicht nach Japan und China, wo man seit Jahren für sehr viel Geld Schäferhunde aus Deutschland importiert. Vielleicht träumt Jürgen S. davon, auch einmal das große Geschäft zu machen. So wie man das unter Vereinskollegen immer wieder mal von bestimmten Zuchtstätten hört. Es seien meist „Großzüchter", heißt es, die „großen Namen", deren Hunde auf den Zuchtschauen stets Spitzenplätze und damit einen hohen finanziellen Wert bekommen. Ja, mit dem Verkauf von Schäferhunden nach China könne man richtig Geld machen, wird immer wieder mal erzählt. Doch daran wird Jürgen S. wohl nicht denken, wenn er mit seinem Toni auf dem Hundeplatz trainiert. Noch nicht.

Wenige Tage vor Tonis erstem Geburtstag, am 20. 9. 2009, präsentiert Jürgen S. seinen Hund erstmals der Öffentlich­keit. Eine kleine Zuchtschau der Ortsgruppe (OG) ­Wilkau-Haßlau in Sachsen, die OG hat gerade mal rund 10 Mitglieder. Die Konkurrenz für Toni ist auch nicht groß, in der Nachwuchsklasse treten gerade einmal drei Rüden an. Alle drei bekommen die Bewertung „VV", das heißt viel­versprechend.

Ein kalter Winter zieht ins bayerische Land. Doch kaum ist der letzte Schnee geschmolzen, stellt Jürgen S. am 7.3. 2010 Toni wieder aus, diesmal auf der Zuchtschau der OG Kehl in Baden-Württemberg. Von den vier in der Jugendklasse ausgestellten Rüden wird Toni Erster, erhält die Bewertung „SG 1" (d.h. der beste unter den „sehr guten" Rüden). Und weiter geht‘s, schon eine Woche später im sächsischen Wintersdorf ist Toni immerhin der zweitbeste der fünf in der Jugendklasse mit „sehr gut" bewerteten Rüden. Und es bleibt beim „SG": Auf den beiden nächsten Zuchtschauen in Schleswig und München im Mai 2010 erhält Toni von dem Zuchtrichter Bernd W. jeweils „SG 1". Eine gute Schaukarriere scheint sich anzubahnen …

Zuchtrichter wird Miteigentümer
Im Frühjahr 2010 tritt plötzlich Ansgar K., ein SV-Zuchtrichter, in das Leben von Toni und dessen Züchter. K. interessiert sich für Toni, will ein 50%-iges Miteigentum an dem Hund, für 3.000 Euro erhält er es (er wird es später wieder zurückgeben). Woher er wohl den Tipp bekommen hat? Jedenfalls nimmt Ansgar K. nun das weitere ­Schicksal des Hundes in die Hand. Er hat nämlich gute Kontakte zu Josephine K., einem taiwanesischen SV-Mitglied. Sie kauft Schäferhunde in Deutschland und verkauft sie in ­China weiter, eine Hundehändlerin also. Der Kontakt nützt: ­Ansgar K. vermittelt Toni für den Preis von 150.000 Euro an ­Josephine K., am 29.7.2010 wird der Kaufvertrag unterzeichnet. Zunächst 70.000 Euro von der Summe erhält Ansgar K. Mehr dazu später.

Garantierter Platz bei der Siegerschau unter 200 ­Hunden!
150.000 Euro – das ist eine sehr hohe Summe für so einen jungen Hund. Doch die Summe ist nicht das Einzige, das an dem von Ansgar K. vermittelten Verkauf Tonis bemerkenswert ist. Vielleicht noch interessanter ist die Tatsache, dass unter Punkt 11 des Vertrages der Verkäufer eine konkrete Platzierung Tonis bei der SV-Siegerschau garantiert. Diese größte und – auch weltweit – bedeutendste, jährlich stattfindende Bundessiegerzuchtschau (BSZS) für Deutsche Schäferhunde wird 2010 vom 3. bis 5. September in Nürnberg stattfinden. Der Züchter garantiert, Toni wird unter die ersten drei („SG1" – „SG3") kommen. Sollte es nur der 4. oder 5. Platz werden, würde ein Abschlag von 20.000 Euro fällig, steht im Vertrag. Fast 200 Hunde werden bei der Siegerschau allein in Tonis Klasse (Junghunde Rüden) antreten! Wie eine solche Platzierung unter die ersten 3 bzw. ersten 5 von fast 200 (!) Hunden fünf Wochen vor der BSZS garantiert werden kann, verwundert. Der Richter in Tonis Klasse wird Bernd W. sein. Der kennt Toni schon, hat er ihn doch schon vor zwei Monaten zweimal gerichtet und mit „SG1" bewertet. Und Bernd W. kennt auch Ansgar K., den Miteigentümer von Toni. Die beiden sollen befreundet sein, und auch Berufskollegen, heißt es in SV-Kreisen. Würde Toni bei der kommenden Siegerschau von rund 200 Hunden nicht unter die ersten 3-5 kommen, wäre das Geschäft im Eimer, Züchter und Ansgar K. müssten das schon erhaltene Geld zurückzahlen.

Am 3. September, am ersten Tag der Bundessiegerzuchtschau 2010, wird die Garantie, die der Hundehändlerin gegeben wurde, eingelöst. Toni, laut Kaufvertrag ja bereits im Eigentum ­Josephine K.’s stehend, wird Drittbester, erhält von Zuchtrichter Bernd W. die ­Bewertung „SG3".

Der Kaufvertrag ist Tonis Schicksal
Wie es nun mit Toni weitergehen soll, ist im ­Kaufvertrag zwischen Züchter und Hundehändlerin klar geregelt. Unter Punkt 4 wurde vereinbart, dass Toni nach der ­Siegerschau 2010 in Nürnberg zunächst lediglich für etwa 10Tage nach China soll, um auf der chinesischen Siegerschau (8. - 10.10.2010) präsentiert zu werden. Jürgen S. würde Toni bei dieser Reise begleiten und danach (lt. Punkt 5 des Vertrages) mit dem Hund wieder nach Deutschland zurückfliegen. Dort werde er dann Toni in der Schutzarbeit trainieren und schließlich auf der deutschen Bundessieger-Zuchtschau 2011 ausstellen. Danach habe Josephine K. das Recht, innerhalb von 2 Wochen Toni endgültig aus Deutschland zu holen. Dass Toni während seiner Zeit in Deutschland auch nach seinem Verkauf seinem Züchter (und der Hunde­händlerin) weitere Einnahmen bringen soll, ist ebenfalls genau vereinbart. Punkt 7 des Vertrages: „Each party gets 50% of stud fee in Germany" (Jede Vertragspartei erhält 50% der Decktaxen in Deutschland).

Toni muss operiert werden
Toni soll jetzt also nach China zur chinesischen Siegerschau, die in einem Monat stattfinden wird. Doch Toni, der offensichtlich nicht wirklich ein topgesunder Hund ist und schon im Juni 2010 sehr schlecht beisammen war, wird neuerlich krank. Diesmal sind es die Mandeln. Keine Rede davon, Toni jetzt nach China verfrachten zu lassen. Am 24. 9. 2010 muss Toni schließlich in der tierärztlichen Klinik Dr. Thevis in Würzburg operiert werden. Danach erhält er die üblichen postoperativen Antibiotika, und zusätzlich – wie eine Apothekenrechnung zeigt – noch 500 Pancrex-Vet-Tabletten. Leidet Toni auch an einer Erkrankung der Bauchspeichel­drüse?

Schließlich stellt Tierarzt Dr. Thevis noch eine ­Bescheinigung aus, dass Toni nun „für 4 Wochen nicht einsatzfähig" sei, sozusagen eine „Krankschreibung". Denn Toni geht es ­wirklich schlecht, und das auch noch die folgenden Wochen.

Druck auf den Züchter steigt
Doch die vier Wochen Schonung für Toni, die der Tierarzt angeordnet hat, will man nicht abwarten. Die Zeit drängt, die Hundehändlerin wartet begierig auf ihren neuen Besitz, den sie nämlich schon längst an einen Chinesen, Herrn L., weiterverkauft hat. Sie wird zunehmend ungeduldiger und scheint Druck auf Ansgar K. auszuüben. Der gibt den Druck weiter an den Züchter. Josephine sei „sehr wütend" und „besteht darauf, dass der Vertrag eingehalten wird und der Hund nach China zur Siegerschau kommt", schreibt Ansgar K. in einem Mail und warnt Jürgen S. und dessen Frau: „Ihr riskiert momentan, dass Josephine dies nicht einfach so hinnimmt und sicherlich die Eigentümer in China auch nicht." Ob Jürgen S. dies als Drohung auffasst?

Toni selbst spürt sicherlich den Stress seines Züchters, was den schlechten Gesundheitszustand des Hundes nicht gerade verbessert. Und Jürgen S. wehrt sich tatsächlich mit Händen und Füßen gegen eine Verfrachtung Tonis nach China. Er wendet sich sogar an die Veterinärbehörde des Landratsamtes Donau-Ries und fragt, ob man einen ­kranken Hund im Langstreckenflieger nach China transportieren darf. Die klare Antwort, die am 16.9.2010 eintrudelt, ist „nein": Der zuständige Veterinäroberrat bezieht sich auf das Tierschutzgesetz und fasst zusammen: „Somit verbietet sich der Transport eines kranken Hundes".

Doch die Zeit drängt, Josephine K. und Ansgar K. wollen, dass der Hund möglichst rasch nach China kommt. Nicht einmal die „Krankschreibung" nach der Mandeloperation des Hundes will Ansgar K. anerkennen, bezeichnet die Entscheidung des Tierarztes sogar als „absolut falsch" und sagt, er habe schon mehrmals Hunde mit dieser Operation gehabt, und „nach 1 Woche kann man mit diesen Hunden wieder arbeiten".

Der Druck steigt, bis Züchter Jürgen S. dem nicht mehr standhalten kann, er gibt nach. Man trifft sich am ­Donnerstag, den 30.9.2010 auf dem Parkplatz der Raststätte „Ellwanger Berge" an der Autobahn A7. Jürgen S. übergibt dort den kranken Toni wohl schweren Herzens an Ansgar K., der ihn mit zu sich nimmt. Kein Wunder, ist der Deal mit der Hundehändlerin doch bereits abgeschlossen, der Kaufpreis überwiesen, die Provision bezahlt worden. Toni gehört ­einfach nicht mehr seinem Züchter.

„Egal, jetzt geht Toni nach China"
Wie krank der arme Hund tatsächlich ist, erkennt nun wohl auch Ansgar K., der in einem Mail zwei Tage später schreibt, wie „erschrocken" er über den Gesundheitszustand des Rüden gewesen sei „und wie zusammengekauert er war". Er habe schon 10-mal mit Josephine K. telefoniert, sie sei ­enttäuscht, dass der Züchter die Befunde Tonis zurück­gehalten und sie nicht informiert habe, schreibt er, und ­weiter: „Egal, jetzt geht Toni erstmal am Montag nach ­China". ­Dieser Montag, das ist der 4. 10. 2010, gerade ­einmal 10 Tage nach der Operation.

Es ist dann nicht der Montag, sondern erst der Dienstag, an dem Ansgar K. Toni zum Frankfurter Flughafen bringt. Dort wird er dann in den Langstreckenflieger nach Hongkong verfrachtet und kommt am nächsten Tag nach über 11 Stunden Flugzeit an. Die Hundehändlerin bestätigt die Ankunft Tonis. Dass auch sie in einem Mail an den Züchter Tonis schlechte Gesundheit beklagt, ist Hinweis darauf, dass Toni tatsächlich in krankem Zustand transportiert worden ist. Der junge Rüde aus Oberbayern ist nun in China. Und er wird nicht mehr nach Deutschland zurückkommen, auch wenn dies im Kaufvertrag anders vereinbart war.

Warum aber Züchter Jürgen S. nicht auf der Einhaltung des Vertrages und damit der Rückkehr Tonis nach Deutschland für zumindest noch ein Jahr bestanden hat, will er der WUFF-Redaktion nicht sagen. Auch wenn es ohnehin nicht möglich gewesen wäre, da Toni von der Hundehändlerin schon längst an Herrn L., einen Chinesen, weiterverkauft wurde. Doch warum hält der Züchter still? Warum zeigt er die Hundehändlerin nicht wenigstens beim SV an und bittet um Hilfe? Schließlich soll Josephine K. im SV über sehr gute Kontakte verfügen. Hält Jürgen S. still, weil ihm ein weiteres Geschäft als Ausgleich versprochen wurde? Hängt es damit zusammen, dass Tonis Mutter, Oduscha von der Rieser Perle, im Juni 2012 ebenfalls nach China verkauft wurde? Sie muss nun in China wohl für weitere Würfe herhalten. Ein weiteres trauriges Schicksal eines Deutschen Schäfer­hundes in Fernost, sagen Hundefreunde. Doch es heißt auch, Geld regiert die Welt …

Vermittler nicht mehr Miteigentümer Tonis. Warum?
150.000 Euro zahlt Hundehändlerin und SV-Mitglied ­Josephine K. an Tonis Züchter. Der bestätigt den Erhalt des Betrages am 29. 7. 2010. Bekommt nun SV-Zuchtrichter Ansgar K., der den Deal eingefädelt hat, als Miteigen­tümer 50% des Kaufpreises? Nein, nicht ganz. Denn Ansgar K. ist gar nicht mehr Miteigentümer Tonis. 3 Wochen vor Unterzeichnung des Kaufvertrages gab er seinen ­hälftigen ­Eigentumsanteil an Toni gegen Rücküberweisung der 3.000 Euro an den Züchter zurück.

Warum verzichtet Ansgar K. plötzlich auf 75.000 Euro, so knapp vor dem Ziel? An der SV-Basis wird spekuliert, dass es wohl ein fatal schlechtes Bild gemacht hätte, wenn Zuchtrichter Bernd W. auf der Siegerschau unter fast 200 Hunden einen Hund, der zu 50% seinem Freund und Kollegen Ansgar K. gehört, derart hoch bewertet.Wird doch schon lange genau dieses sog. „Hochrichten" von Hunden durch Richter, die einander gut kennen würden und auch befreundet seien, diskutiert. Genau diese Praxis kritisiert auch das Magazin „Stern" (Ausgabe 5/2012): „So kennt man sich und teilt das Interesse, dass die Hunde gut bewertet werden, damit sie Spitzenpreise erzielen". Wie auch immer, Ansgar K. hatte zum Zeitpunkt der Siegerschau jedenfalls keinen Anteil mehr an Toni. Hat er also vom Verkauf Tonis gar nicht profitiert?

70.000 Euro Provision
Auch wenn Ansgar K. nicht mehr Miteigentümer von Toni ist, findet sich auf der Empfangsbestätigung vom 29. 7. 2010 über 150.000 Euro unter der Unterschrift von Jürgen S. zusätzlich ein handschriftlicher Vermerk: „70.000 Euro der Kaufsumme erhält Ansgar K." (Name abgekürzt, Anm.d.Red.) und darunter dessen Unterschrift. Dass diese Summe eine Provision für die Vermittlung des Geschäftes ist, ergibt sich dann aus späteren Gerichtsakten. Jedenfalls liegt die Höhe des Provisionsbetrages nur wenig unter 50% des Kaufpreises, die K. erhalten hätte, wäre er noch Miteigentümer gewesen. „G’hupft wie g’sprungen", sagt man in Bayern dazu, und „Das Geld hat ka Mascherl".

Dass nun aber Ansgar K. fast die Hälfte vom Kaufpreis Tonis als Provision erhalten hat, scheint Züchter Jürgen S. dann doch zu reuen. In einem zivilrechtlichen ­Prozess gegen ­Ansgar K. klagt er beim Landgericht Trier auf „­Rückzahlung des Betrages wegen Sittenwidrigkeit". Doch ob nun ­Ansgar K. sittenwidrig gehandelt hat, knapp 50% ­Provision für ein Geschäft von 150.000 Euro zu kassieren oder nicht, ­wurde rechtlich nicht entschieden, denn die beiden Parteien ­verglichen sich: Vor dem Landgericht Trier sagte Ansgar K. (lt. Aussage der Anwälte des Züchters) zwar aus, dass beim Verkauf von Schäferhunden Provisionen von 25%, 30% oder 40% üblich seien, doch gab er dann 35.000 Euro, also die Hälfte seiner ursprünglichen Provision, an den Züchter zurück, begnügte sich mit knapp 23% Provision. Dass er vor dem Landgericht Trier Provisionen bis 40% als üblich angegeben habe, bestritt K. dann allerdings vor dem SV-Verbandsgericht. Er habe lediglich von Provisionen bis 25% gesprochen. Warum er dann ursprünglich fast 50% Pro­vision gefordert und zunächst auch erhalten habe, wird nicht wirklich erklärt.

Gerichtsstreit Ansgar K. gegen SV
Das Thema Provision für die Verkaufsvermittlung von Deutschen Schäferhunden durch Richter wird dann ein Jahr später auch vor dem Landgericht Augsburg abgehandelt. Ein belgisches SV-Mitglied, Jan Demeyere, hatte den Deal nämlich aufgedeckt und dem SV zur Kenntnis gebracht. Die Funktionäre nehmen diese Informationen offensichtlich nicht auf die leichte Schulter. Das sei ja wohl „kein Kavaliersdelikt" mehr, meint etwa Vereinswirtschaftswart Peter T. in einem Schreiben an den Vorstand und scheint entsetzt zu sein: „Mir ist bisher noch nichts Vergleichbares bekannt geworden." Aufdecker Jan Demeyere hatte jedenfalls ­ganze Arbeit geleistet und dem SV einen Fall aufgezeigt, der angeblich kein Einzelfall sein soll. Handlungsbedarf für den SV?

Jedenfalls reagiert der SV-Vorstand nun, zwar spät, aber doch. Am 23. 11. 2011 wird das vorläufige Ruhen der Ämter von Ansgar K. als SV-Richter und als SV-Landesgruppenzuchtwart angeordnet. Doch Ansgar K. wehrt sich. Rasch stellt er an das Landgericht Augsburg einen Antrag auf einstweilige Verfügung auf Aufhebung dieses SV-Beschlusses. Doch das Gericht lehnt seinen Antrag am 13. 2. 2012 ab. Das sofortige Ruhen der Ämter sei gerechtfertigt, urteilt der Richter, und zwar aufgrund des Verstoßes Ansgar K.´s gegen seine Treuepflichten gegenüber dem SV. K. habe sich nämlich „verpflichtet, keine entgeltlichen Tätigkeiten im Zusammenhang mit Hunden wahrzunehmen" und habe ­darüber hinaus „als Zuchtrichter eine besondere Vorbildfunktion." Und so informiert die SV-Hauptgeschäftsstelle Ansgar K. am 27. 4. 2012 über diesen Beschluss, dass er seines Amtes als SV-Richter enthoben ist. „Durch eine entgeltliche Tätigkeit im Bereich Schäferhunde durch einen Zuchtrichter wird die Seriosität und das Ansehen des Vereins stark gefährdet", heißt es in der Begründung zum Urteil des Verbandsgerichtes. Denn der SV verfolge „ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Bereich der Förderung der Tierzucht und des Hundesports".

Doch Ansgar K. gibt nicht auf. Aus welchen Gründen auch immer, ihm ist es offensichtlich äußerst wichtig, weiterhin Deutsche Schäferhunde richten zu dürfen. Außerdem weist er vor dem SV-Verbandsgericht darauf hin, dass es unter den SV-Richtern weit verbreitet sei, entgeltliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit Hunden wahrzunehmen. Ansgar K. fühlt sich offensichtlich ungerecht behandelt. So beantragt er daher wenige Tage später, am 7. 5. 2012, beim Land­gericht Ausgburg, den Beschluss des SV für ungültig zu erklären und weiter richten zu dürfen. Der Grund: Ein beim SV-Verbandsgericht West anhängiges Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Und das Gericht reagiert rasch. Schon am 22. 5. 2012 wird dem Antrag in dieser Sache Recht ge­geben und festgestellt, dass K. „seine mitgliedschaftlichen Rechte vollumfänglich ausüben darf." K. darf also weiter sein SV-Richteramt ausüben, weil das vereinsinterne Ordnungsverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Und schließlich findet sich am 11. 7. 2012 auf der Website des SV (www.schaeferhund.de) folgende Information der Hauptgeschäftsstelle: „Wichtige Information! Aufgrund einer einstweiligen Verfügung des Oberlandesgerichts München vom 10. 07. 2012 muss der Verein für Deutsche Schäferhunde (SV) e.V. Herrn Ansgar K. bis zum Abschluss anhängiger Verfahren wieder in der Richterliste des SV führen." (Hinweis d. Red.: Der Name wurde abgekürzt) Der Streit geht also weiter, man darf gespannt sein.

Wie geht es Toni heute?
Tonis Züchter will über das Geschäft mit Toni nicht mehr reden, erklärt seine Frau auf Anfrage von WUFF. Ob sie denn wisse, wie es Toni heute in Fernost gehe. „Toni geht es gut", ist ihre lapidare Antwort. Ansonsten ist man im Haus des Züchters verschlossen wie eine Auster. Ebenso verschlossen ist der chinesische SV (CSV), was Anfragen betrifft. ­Dennoch, der belgische Schäferhund-Experte Jan ­Demeyere hat in der Internet-Datenbank des CSV Toni aufgespürt. Toni dürfte in China bereits häufig zum Decken eingesetzt worden sein. Nach einer Recherche Demeyeres sind bislang 267 Welpen bei chinesischen Würfen registriert worden, die einem Deckakt Tonis entsprungen sind. So arbeitet also der junge Deutsche Schäferhund aus Ober­bayern heute für die Kapitalrendite der 200.000-Euro-Investition seines chinesischen Besitzers – der Preis, den er der taiwanesischen Hundehändlerin gezahlt haben soll.

Auch die Zuchtschauen, auf denen Toni ausgestellt wurde, lassen sich im Internet finden. Demnach ist Toni in China erstmals am 4. 12. 2010 ausgestellt worden, danach 6 mal im Jahre 2011 und zuletzt zweimal in diesem Jahr. Die ­beiden letzten Male (am 18. 2. und 28. 4. 2012) scheint Toni jedoch mit der Bewertung „EZ" auf. „EZ" steht für „Entschuldigt. Zurückgezogen". Diese Bewertung wird dann ­vergeben, wenn ein Hund aus der Schau genommen wird, etwa weil er kurzfristig erkrankt ist. Toni ist also offensichtlich seit Anfang dieses Jahres wieder krank, ein kranker Deutscher Schäferhund in China …

Was mit Toni sein wird, wenn er weiterhin immer wieder krank ist und/oder wenn seine „Deck-Karriere" zuende ist, und dies in einem Land, von dem man weiß, wie dort oft mit Hunden umgegangen wird, daran will niemand denken. Dass Hundefelle aus China sich in Pelzprodukten europäischer Modegeschäfte finden, ist bekannt. Folgende Aussage auf einer Website, die Schäferhundexporte nach China kritisiert, bezieht sich darauf und meint: „So können sich manche expandierende Züchter doch noch freuen, dass ihr Hund wieder zurück nach Deutschland gekommen ist." Makaber, aber nicht wirklich von der Hand zu weisen.

Fazit der Geschichte über Toni?
Zusammenfassend nun die wesentlichen Punkte, die handelnden Personen, die Ereignisse und Umstände.

1. Ein „kleiner" SV-Züchter, der vielleicht plötzlich das große Geld vor der Nase sieht (wer will es ihm verübeln?) und sowohl mit dem Verkauf Tonis als auch noch danach mit 50% Decktaxe „Kohle machen" will. Und später u.a. auch Tonis Mutter nach China liefert. Sicher auch nicht gratis …

2. Ein SV-Richter mit „exzellenten Kontakten", der den Züchter mit einer Hundehändlerin zusammenbringt und dafür eine große Provision kassiert. Und der sagt, dass entgeltliche Tätigkeiten in Zusammenhang mit Hunden unter Richtern des SV weit verbreitet seien.

3. Ein Kaufvertrag, in dem für eine SV-Siegerschau, die erst in mehreren Wochen stattfinden wird, ein Platz unter den ersten 3 bzw. 5 garantiert wird, dies unter fast 200 ­Hunden!

4. Eine Hundehändlerin in Taiwan, die in Deutschland einkauft und in China weiterverkauft. Und die SV-Mitglied ist.

5. Ein armer Hund, Toni, der für beteiligte Menschen zur Handelsware wird, zum Investment, Provision inklusive.

6. Und schließlich ein Verein, der SV, in dem das alles ­möglich ist und der erst nach Aufzeigen eines aus­ländischen ­Vereinsmitglieds, des belgischen Schäferhund-Experten Jan Demeyere, tätig wird. Dass derzeit gegen dieses ­Mitglied ein Vereinsausschlussverfahren läuft, ist ein eigenes Thema …

Was sagt der SV dazu?
Viele Fragen ergeben sich aus diesem Fall. Zeigt er tatsächlich das „Sittenbild eines Vereins"? Oder sind es nur einige wenige, die ihre Vereinsämter und die Strukturen des Vereins für ihren persönlichen Profit missbrauchen? Ist dieser Fall wirklich nur ein Einzelfall? Oder fördert die bestehende Vereinsstruktur nicht erst eigentlich solche Missbräuche? Was könnte man tun, um so etwas in Zukunft zu ver­hindern? Braucht der SV eine grundlegende Reform?

Natürlich haben wir den SV im Rahmen unserer ­Recherche kontaktiert und Fragen gestellt. So unter anderem, ab wann Hobbyzucht endet und gewerbliche Zucht beginnt, ob Hundehandel mit einer SV-Mitgliedschaft vereinbar ist, wie man über Provisionszahlungen bei Hundeverkäufen denkt, wie man zu den vielen öffentlichen Vorwürfen über Vetternwirtschaft steht, und ob viele Richter wirklich „nur Geschäfte­­macher" seien, die sich „die Hasen gegen­seitig in den Stall treiben", wie ein hoher ­Vereinsfunktionär besorgt die ­„Stimmung an der Basis unseres Vereins" ausdrückt. Die Antworten des SV dazu im nächsten WUFF.

(Hinweis: Quellenangaben für die Recherche siehe www.wuff.eu/sv-toni)

Rechtlicher Hinweis: Für alle im Artikel erwähnten Personen hat – bis zum Abschluss ggf. bestehender Rechtsverfahren – natürlich die Unschuldsvermutung zu gelten.

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